Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
war, das unberechtigterweise als Brave betrachtet wurde, hatte sich als falsch erwiesen. Ich hatte mir oft gesagt, dass es ein Fehler sei, mit vierundzwanzig geheiratet zu haben, und dass ich mir damit keinen guten Dienst erwiesen habe, weil ich mich der Möglichkeit, mit geheimnisvollen Fremden anonymen Sex zu haben, beraubt hatte. In meinem tiefsten Inneren war ich überzeugt gewesen, wenn ich Gelegenheit gehabt hätte, meine schlummernde wilde Seite auszuleben, dann hätte ich mich mit den Besten herumgetrieben.
Aber ich hatte mich geirrt. Ich war für One-Night-Stands nicht geschaffen. Anders als Emily oder Donna fand ich Sex mit Fremden nicht erregend, im Gegenteil, das Ganze deprimierte mich. Mein Gott, was für eine Enttäuschung, dass ich genauso war, wie ich immer gelebt hatte: monogam, und zwar durch und durch. Wer hätte das gedacht?
Emily hatte Recht. Ich hatte mich nicht unter Kontrolle, sie war zu Recht besorgt um mich. Und da war noch etwas. In drei Tagen kam meine Mutter. Wie sollte ich meine lesbische Affäre vor ihr verbergen? Sie würde mich umbringen.
In großer Niedergeschlagenheit saß ich, ich weiß nicht, wie lange, am Schreibtisch. Dann wandten sich meine Gedanken Emily zu, die verzweifelt versuchte, die Arbeit von sieben Monaten in eine Woche zu quetschen. Ich stand auf und ging zu ihr. Sie saß immer noch an ihrem Laptop und tippte pausenlos.
»Emily, kann ich dir irgendwie helfen?«
Sie hielt inne; mit den hochgezogenen Schultern und den violetten Ringen unter den Augen sah sie aus wie ein Waschbär.
»Ich könnte dir etwas zu essen machen. Oder deinen Nacken massieren. Aber nicht auf Lesbenart«, fügte ich schnell noch hinzu, damit sie mich nicht missverstand.
Langsam ließ sie die Schultern sinken. »Weißt du was? Du könntest tatsächlich etwas für mich tun. Ich muss heute Abend unbedingt raus hier. Mir ist es egal, was wir machen. Entscheide du.«
»In Ordnung.« Ich dachte nach. Und dann wusste ich genau, wozu ich Lust hatte. »Ich möchte mit ein paar Frauen losziehen und mich betrinken, und dann möchte ich zu ›I Will Survive‹ herumtanzen und meine Handtasche über dem Kopf schwingen.«
»Großartig«, hauchte Emily. »Wer soll mitkommen? Lara, ist ja klar –«
»Nein, sie hat schon was vor! Ehm, wie wär’s mit Connie?«
»Connie? Ich dachte, du magst sie nicht.«
»Ach«, sagte ich und zuckte die Schultern.
»Hat es mit den Hochzeitsvorbereitungen zu tun?«
»Es ist jetzt nicht mehr so wichtig.«
»Du hast auch aufgehört, mich zu fragen, wer verheiratet ist und wer nicht. Ich glaube, Maggie, langsam wird es besser. Wenn du jetzt noch aufhören könntest, mit Leuten zu schlafen …«
»Das tue ich, ich verspreche es. Ich mache es nicht wieder.«
Connie war bereit, mit uns auszugehen, und ihre Schwester Debbie auch. Wir machten uns zurecht, zogen uns kurze Röcke und hohe Schuhe an, schminkten uns mit Glitzer-Make-up
und gingen in den Bilderberg-Room – mit seiner kitschigen Ausstattung galt er plötzlich als total cool –, wo die Männer nach einer Starsky-and-Hutch-Retro-Mode passend gekleidet waren und jede Frau frech anmachten. Wir hatten den Saal kaum betreten, als ein Mann auf mich zutrat und sagte: »Hier bin ich. Und was waren deine anderen beiden Wünsche?« Ich schob mich an ihm vorbei, und im nächsten Moment fuhr ich mir mit den Händen durch die Haare, weil eine fremde Hand sich darin zu schaffen machte. Sie gehörte einem ungezogenen Bengel namens Dexter, der mich unverzüglich fragte, ob ich mit ihm nach Hause kommen würde.
Aber wir vier waren gekommen, um zu tanzen, und nicht, um Männer aufzugabeln, und wir ließen die Schlappschwänze abblitzen wie Wonder Woman den Kugelhagel – worauf wir nur noch mehr umschwärmt wurden. Komplizierte Martini-Cocktails wurden uns spendiert, und wir tranken sie, ohne uns dafür zu bedanken. Und obwohl unsere Handtaschen so klein waren, dass sie von unseren Schultern baumeln konnten, ohne jemanden zu verletzen, stellten wir sie auf den Tanzboden unter dem Glitzerball – Emilys Umhängetasche von Dior, Connies perlmuttbestickte Tasche von Fendi, Debbies LV-Börse und meine Handtasche von JP Tod’s – und tanzten drum herum.
Als Connie verkündete, sie wolle sich die Lippen nachziehen, schritten wir zu viert aufrechten Gangs über das Parkett, schenkten Angeboten für weitere Getränke und/oder fantastischen Sex keine Beachtung und verschwanden in der Damentoilette, einer Landschaft
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