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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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keinem Schluss und schlief, keineswegs beruhigt, wieder ein. Doch in diesem Fall war es mir plötzlich und unfreiwillig möglich, die Dinge wie mit Röntgenaugen zu durchschauen. Ich konnte durch die Polsterung der alltäglichen Routine, der Privatsprache und der gemeinsamen Vergangenheit sehen, bis hinein in das Herz von dem, was Garv und mich verband, hinein in alles, was in letzter Zeit passiert war. Der ganze Rest war wie weggefegt, und ich hatte nur den einen schrecklichen, allzu klaren Gedanken: Wir haben enorme Probleme.
    Das jagte mir einen kalten Schauer durch den Leib. Alle Härchen auf meiner Haut richteten sich auf, und zwischen meinen Rippen spürte ich ein Frösteln. Entsetzt versuchte ich, mich mit ein paar Sorgen über den Berg Arbeit, der vor mir lag, aufzuheitern, aber es gelang mir nicht. Also dachte ich an meine Eltern und daran, dass sie älter wurden und ich eines Tages diejenige sein würde, die sich um sie kümmern müsste, und bemühte mich, mir damit Angst zu machen.
    Nach einer Weile schlief ich wieder ein, kratzte mir den rechten Arm wund, knirschte ausgiebig mit den Zähnen und
wachte mit dem vertrauten Gefühl von Zahnstaub im Mund auf – und machte so weiter wie immer.
    Meine Erkenntnis – Wir haben enorme Probleme – sollte mir genau in dem Moment wieder in den Sinn kommen, als sich herausstellte, wie Recht ich damit hatte.
    An dem fraglichen Abend wollten wir mit Elaine und Liam, Freunden von Garv, essen gehen. Und wer weiß, wenn Liams neues Flachbildschirm-Fernsehgerät nicht von der Wand auf seinen Fuß gefallen wäre, was zur Folge hatte, dass er sich den großen Zeh brach, und wenn wir tatsächlich ausgegangen wären, statt zu Hause zu bleiben, vielleicht wären Garv und ich dann heute noch zusammen.
    Die Ironie des Schicksals wollte es, dass ich regelrecht darum betete, Elaine und Liam möchten absagen. Die Chancen standen gut – die letzten drei Male, als wir verabredet waren, war das Treffen geplatzt. Das erste Mal hatten Garv und ich abgesagt, weil unser neuer Küchentisch geliefert werden sollte. (Nein, er kam natürlich nicht.) Das nächste Mal musste Elaine, die eine wichtige Stellung bei der Rentenversicherung bekleidet, nach Sligo fahren und eine Menge Leute arbeitslos machen. (»Gut, dass der neue Jaguar gerade angekommen ist!«) Beim letzten Mal war mir eine fadenscheinige Entschuldigung eingefallen, mit der Garv sofort einverstanden war. Diesmal waren die beiden wieder an der Reihe.
    Ich kann nicht sagen, dass ich sie nicht mochte. Oder doch – ich mochte sie nicht. Wie schon erwähnt, sie hat eine wichtige Stellung bei der Rentenversicherung, und er ist Börsenmakler. Sie sehen gut aus, verdienen haufenweise Geld und sind zu Kellnern unfreundlich. Sie gehören zu den Leuten, die dauernd neue Autos kriegen und in Urlaub fahren.
    Die meisten von Garvs Freunden waren richtig nett, aber Liam war eine krasse Ausnahme. Das Problem lag darin, dass Garv einer von denen ist, die in allen Menschen das Gute sehen – also, in den meisten. Theoretisch ist das eine tolle Eigenschaft, und ich habe nichts dagegen, wenn er das Gute in den Menschen sieht, die ich auch mag, aber es war ein bisschen irritierend, dass er auch bei denen darauf bestand, die ich nicht mochte. Er und Liam waren seit der Hauptschule befreundet,
damals war Liam viel netter als heute, und obwohl Garv sich meinetwegen riesige Mühe gab, konnte er doch den Rest Zuneigung, die er für Liam empfand, nicht abschütteln.
    Doch selbst Garv stimmte mir zu, dass Elaine furchterregend war. Sieredetesoschnell. FeuerteFragenwiemitdemMaschinengewehr. Wiegeht’sdennso? Wirstdubaldbefördert? WanngehtihrandieBörse? Ihr dynamischer Glanz machte aus mir ein stammelndes Häufchen der Unfähigkeit, und wenn ich endlich eine Antwort zusammengestoppelt hatte, war ihr Interesse erloschen und ihre Aufmerksamkeit woanders.
    Doch selbst wenn ich Liam und Elaine gemocht hätte, wäre ich an dem Abend nicht gern mit ihnen ausgegangen – Glück und Zufriedenheit auszustrahlen ist viel schwieriger, wenn Leute um einen herum sind. Und zu Hause lagen noch etliche braune Umschläge, die bedrohlich wirkten und um die ich mich kümmern musste. (Außerdem gab es im Fernsehen zwei Seifenopern, die um meine Gunst buhlten, und eine Couch, die mir zu Diensten sein wollte.) Die Zeit war zu kostbar, als dass ich sie damit verschwenden konnte, einen ganzen Abend auszugehen.
    Dazu kam, dass ich unglaublich müde war. Meine Arbeit war sehr

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