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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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vergossen wir
noch ein paar Tränen. Wir waren vor Ehrfurcht sprachlos. Und unsere Erleichterung war grenzenlos: Es hatte ein schlagendes Herz, alles musste in Ordnung sein.
    Und wenn wir erst die zwölfte Woche hinter uns hätten, wären wir in Sicherheit. »Noch zwei Tage«, sagte ich, als wir uns abends vor dem Einschlafen gegenseitig die Hände drückten.
    Ich erwachte von den Schmerzen. Beim ersten Mal hatte ich keine Schmerzen gehabt, deswegen war ich nicht gleich alarmiert. Aber als ich langsam begriff, was passierte, verlor ich jeglichen Realitätssinn und dachte: Das kann nicht wirklich wahr sein.
    Jedesmal, wenn etwas Schlimmes passiert, bin ich überrascht. Ich weiß, manche Menschen reagieren auf ein Unglück, indem sie herumrennen und brüllen: »Ich wusste es. Ich wusste genau, dass das passieren würde, verdammter Mist!« Aber so bin ich nicht. Schlimmes stößt nur irgendwelchen »anderen Menschen« zu, und es ist ein richtiger Schock, wenn ich entdecke, das ich auch einer von den »anderen Menschen« bin.
    Als wir zum Auto gingen, sah ich zum nächtlichen Himmel auf und betete zu Gott, er möge dies nicht geschehen lassen. Aber ich bemerkte etwas, das mir wie ein Omen erschien. »Es sind keine Sterne am Himmel«, sagte ich. »Das ist bestimmt ein Zeichen.«
    »Nein, Liebes, das ist kein Zeichen.« Garv legte die Arme um mich. »Die Sterne sind immer da, auch am Tag, nur manchmal können wir sie nicht sehen.«
    Das Gefühl des Déjà-vu auf der Fahrt zum Krankenhaus machte aus der Wirklichkeit einen Albtraum. Dann saßen wir wieder auf den orangefarbenen Stühlen, jemand sagte, dass alles in Ordnung sein würde, und wieder war nichts in Ordnung.
    Auch diesmal war es zu früh, um das Geschlecht feststellen zu können, aber mich interessierte das nicht. Es zählte allein die Tatsache, dass ich zum zweiten Mal ein Kind verloren hatte. Eine ganze, fertige Familie – fort, bevor sie existiert hatte.
    Diesmal war es noch viel, viel schlimmer. Einmal, damit
konnte ich leben, aber zweimal, nein – denn nach dem ersten Mal hatten wir das, was wir jetzt nicht mehr hatten, nämlich Hoffnung. Ich hasste mich und meinen Körper, der so unfähig war und uns derart im Stich ließ.
    Die Leute erzählten uns Geschichten, mit denen sie uns trösten wollten. Meine Mutter kannte eine Frau, die fünf Fehlgeburten hatte, und danach bekam sie vier gesunde Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen. Garvs Mutter lieferte eine noch bessere Geschichte: »Ich kannte eine Frau, die hatte acht Fehlgeburten, und dann brachte sie Zwillinge zur Welt. Zwei hübsche Jungen. Einer von denen«, sagte sie und wiegte den Kopf, »ist allerdings im Gefängnis gelandet. Unterschlagung. Irgendwas mit einem Rentenfonds und einer Villa in Spanien …«
    Jeder versuchte, Garv und mich wieder optimistischer zu stimmen, aber ich wies das alles zurück. Die Hoffnung war zunichte, und ich hielt unerschütterlich an der Überzeugung fest, dass es nur meine Schuld war. Ich neige nicht zu abgehobenen Ideen, zu Hexenzauber und übersinnlichen Dingen – das ist Annas Revier –, aber ich wurde die Überzeugung nicht los, dass ich das Unglück selbst über uns gebracht hatte.

33
    I ch machte die Haustür auf. Emily saß auf der Couch und hämmerte auf ihre Tastatur ein.
    »Hallo«, sagte ich verhalten.
    »Hallo«, sagte sie ebenso verhalten. »War es schön gestern Abend?«
    »Ja, und bei dir?«
    »Auch.«
    »Wie war’s mit Troy und Shay?«
    »Nett. Hilfreich. Sie lassen dich grüßen.«
    Ich nickte zum Computer hinüber. »Und wie kommst du mit dem Hund Chip klar?«
    »Ein Albtraum. Ich kriege Magenkrämpfe beim Schreiben. Habt ihr es gemacht?«
    Nach einer Pause: »Ja. Tut mir Leid.«
    »Keineswegs. Was immer dich glücklich macht. Und wie war es?«
    »Es war … anders.«
    »Hast du …?«
    »Es war das erste Mal«, sagte ich. »Was denkst du denn von mir?«
    »Herr im Himmel«, sagte sie unterdrückt. »Und was habt ihr gemacht?« Dann schlug sie sich an die Stirn. »O Mann! Ich meine nicht das, was du denkst.«
    »Wir waren im Kino. Ich geh mal duschen und lege mich ein bisschen hin.«
    »Klar. Du musst ganz erledigt sein. Ich meine, also … verdammt«, fluchte sie. »Bis später.«
    Ich ging in mein Zimmer und machte die Tür hinter mir zu. Dann setzte ich mich an Emilys Schreibtisch und blätterte müde und auf der Suche nach Ablenkung einige ihrer unverkauften Drehbücher durch.
    Ich war nicht erschöpft, ich war verstört. Ich hatte mich

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