Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
viel, viel , VIEL zu weit vorgewagt. Diese Sache mit Lara – was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Ich war nicht lesbisch. Und ich hatte den starken Verdacht, dass ich auch nicht bi war.
Der ganze Abend war eine einzige Katastrophe gewesen, die damit begann, dass Lara, als sie mich abholte, rundum strahlend aussah: das Haar glänzend und wippend, das Kleid figurbetont. Daran war an sich nichts auszusetzen – bis ich begriff, dass sie sich extra Mühe gegeben hatte. Sie hatte sich meinetwegen schön gemacht. Einen Moment lang war ich geschmeichelt, im nächsten bestürzt.
Wir gingen in ein Kino in Santa Monica und sahen uns einen Film an, dessen Handlung wir beide nicht verstanden, und als wir in die schwüle Nacht hinaustraten, stellte sich heraus, dass wir beide hofften, die jeweils andere könne den Film erklären. Das verhieß nichts Gutes, und ich verspürte den mächtigen Drang, Lara zu fragen, wie sie mit der Umrechnung von Wechselkursen klarkam, aber ich hatte Angst herauszufinden, dass sie auch da genauso ahnungslos war wie ich.
»Was jetzt?«, fragte ich. »Wollen wir in eine Bar gehen?« Um uns herum waren Hunderte von hübschen Bars und Restaurants, aber Lara schüttelte entschieden den Kopf und sagte mit einem bedeutungsvollen Lächeln: »Ach nein.Wir gehen zu mir.«
Ich hatte das Gefühl, als wäre ein ganzer Käfig mit Schmetterlingen in meinem Magen freigelassen worden. Du bist nervös , sagte ich mir. Es ist nicht Panik, sondern Nervosität . Weil ich so schüchtern und so unerfahren war, versteht sich. Aber Lara würde die Führung übernehmen und die Sache für mich leicht machen.
Also gingen wir zu ihr, und sie machte eine Flasche Wein auf, legte eine Jazz-Platte auf und zündete ein paar Duftkerzen
an. Die Duftkerzen waren es, die mir das volle Ausmaß meines Irrtums vor Augen führten. Es wurde so romantisch. Lara wollte auf jeden Fall zur Sache kommen.
Ein bleiernes Gefühl verscheuchte die Schmetterlinge, und es bestand kein Zweifel daran, dass ich einfach nur nach Hause wollte, ich wollte so schnell wie möglich weglaufen – doch stattdessen musste ich mich auf das Sofa lümmeln, Chardonnay trinken und anzügliche Blicke im flackernden Licht der Kerzen austauschen.
Tapfer gab ich mir alle Mühe. Jedesmal, wenn sie mich mit zärtlichem Blick ansah, brachte ich ein schiefes Lächeln zustande, aber als sie auf dem Sofa näher an mich heranrückte, stieg Panik in mir auf.
Verzweifelt bemühte ich mich, das Gespräch in Gang zu halten, doch ich war so angespannt, dass es klang, als würde ich ein Bewerbungsgespräch mit ihr führen. »In wie vielen Kinos kommt Die Tauben raus? Macht es Spaß, eine Eröffnungsparty zu organisieren? Ach, ein Albtraum, ja? O je.«
Ich wäre so gern gegangen, aber mir fiel nicht ein, wie ich mich der Situation entziehen konnte. Die Worte, die meine Erlösung gewesen wären, lagen mir auf der Zunge, aber ich konnte sie nicht aussprechen. Was mich zurückhielt, war, dass ich mich sehenden Auges in diese Lage manövriert hatte. Sobald sich die Entwicklung abzuzeichnen begann, hätte ich Lara sagen können, sie möge mich in Ruhe lassen, stattdessen hatte ich den Eindruck erweckt, dass ich mich zu ihr hingezogen fühlte – und in dem Moment war es auch so gewesen. Doch jetzt empfand ich das nicht mehr, und ich glaubte, dass ich kein Recht hatte zu sagen, ich hätte es mir anders überlegt.
Nachdem ich anderthalb Gläser Chardonnay geleert hatte, beugte Lara sich plötzlich über mich. Jetzt war es also so weit. Unwillkürlich rückte ich von ihr ab und war erleichtert, als ich merkte, dass sie bloß mein Glas nachfüllen wollte. Ich nahm es mit zitternder Hand entgegen und stürzte den Inhalt fast in einem Zug hinunter.
»He, nicht dass du mir zu viel trinkst«, schalt Lara mich zärtlich.
»Ehm, nein.« Und meine Panikgefühle waren wieder da.
Ich ging so weit, zu beten und Gott einen Handel vorzuschlagen: Wenn er mich aus dieser Klemme herausholte, würde ich nie wieder etwas Riskantes machen. Aber Gott war wohl gerade beschäftigt, denn im nächsten Moment rückte Lara näher an mich heran und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Dann küsste sie mich, was sich ganz gut anfühlte, und schob ihre Hand unter meinen Top und streichelte meine Brüste, was sich auch nicht so schlecht anfühlte. An dem Punkt war ich wohl an der Reihe, deshalb zog ich, um meine Bereitschaft zu zeigen, an ihrem Schulterriemen, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass
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