Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
eigene Fernsehsendung? Wie war noch Ihr Name?«
»Mike Harte«, sagte Mike höflich.
»Nein, nein. Er fängt mit einem W an. Er liegt mir auf der Zunge, gleich fällt er mir ein.«
»Mike Harte«, sagte Mike, nach wie vor höflich.
»Nein! Jetzt weiß ich es wieder. Bryson. Bill Bryson, stimmt’s?«
»Nein, Mammy Walsh, so heiße ich nicht.«
»Sind Sie da … sind Sie ganz sicher?«
»Sicher bin ich mir sicher.«
Darauf folgte eine peinliche Pause, und Mum nahm eine purpurne Färbung an. Ich vermutete, dass sie unter der Bräunungscreme errötete. »Entschuldigung, Sie sehen ihm sehr ähnlich.«
»Ach, das macht doch nichts«, sagte Mike sehr freundlich.
»Ich habe eine Nachricht für euch!« Emily versuchte einen plumpen Themenwechsel. »Lara hat angerufen!« Ich zuckte zusammen und war davon überzeugt, dass Mum allein bei der Erwähnung ihres Namens merken würde, dass ich mit Lara geschlafen hatte. »Der Film, bei dem Lara mitgearbeitet hat, Die Tauben , hat morgen Premiere, und wir sind alle herzlich eingeladen!«
Selbstverständlich stiftete das einige Aufregung und überspielte halbwegs den Fauxpas um Bill Bryson.
»Kommen da auch berühmte Leute?«, fragte Helen.
»Möglich, aber einer wird bestimmt da sein, wollt ihr wissen, wer?«, kreischte Emily, die die Rolle der Gastgeberin besonders gut ausfüllen wollte. »Shay Delaney! Sie erinnern sich an Shay Delaney, nicht, Mammy Walsh?«
»Natürlich erinnere ich mich an ihn.« Mum gewann rasch ihre Haltung wieder. »Was für ein netter Junge er war. Es wird mir eine Freude sein, ihn wiederzusehen.«
Ich schluckte es runter, ich drückte es weg. Ich erlaubte mir nicht, das zu fühlen, was in mir hochkam, was es auch war. Ich hatte auch so genug zu bewältigen.
Im nächsten Moment war Mum wieder obenauf, und obwohl Emily die Gastgeberin war, füllte Mum die Gläser, kümmerte sich um die Gäste und verhielt sich in jeder Hinsicht wie eine erstklassige Botschafterin des irischen Matriarchats. Als sie versuchte, Charmaines Glas nachzufüllen, lehnte Charmaine ab und sagte: »Ich hatte schon eins.«
»Trinken Sie noch eins«, drängte Mum sie, ganz irische Mutter. »Ein Vogel fliegt nicht mit einem Flügel.«
Charmaine legte den Kopf auf die Seite und wiederholte: »Ein Vogel fliegt nicht mit einem Flügel. Das ist ja wunderschön. Welche Weisheit.«
War sie sarkastisch, fragte ich mich. Aber sie war durch und durch gut.
»Entschuldigen Sie«, sagte sie, »das muss ich Mike erzählen.«
»Die ist voller Güte und Herzlichkeit«, sagte Mum misstrauisch und sah Charmaines schlankem Rücken und schwingenden Zöpfen nach.
»Sie ist ein sehr spiritueller Mensch«, sagte ich.
»Ach, ist sie katholisch?«, fragte Mum erfreut.
»Nein, Maggie sagt, sie ist ein spiritueller Mensch«, fuhr Helen dazwischen, die alles mitgehört hatte.
Danach war Mikes und Charmaines Interesse an Mum geweckt, denn sie beobachteten sie unentwegt. Als Anna sich
dem Jetlag hingeben wollte, schalt Mum sie: »Komm, hebe deine matten Glieder«, und Mike stieß Charmaine an, und sie wiederholten beide: »Hebe deine matten Glieder.«
Nach einem kurzen, intensiven Gespräch gab Charmaine Mike einen Schubs und sagte: »Frag sie.«
Darauf sagte Mike: »Frag du sie doch.«
Wieder steckten sie die Köpfe zusammen, dann legte Mike Mum die Hand auf die Schulter. »Wir müssen gehen, heute Abend haben wir Meditation.« Er klang enttäuscht. »Aber es war uns ein großes Vergnügen, Sie kennen zu lernen, Mammy Walsh, und wir würden uns freuen, wenn Sie während Ihres Aufenthalts in L.A. zu einem unserer Märchenabende kommen könnten.«
Mum war natürlich erfreut. Geradezu entzückt. Aber sie musste so tun, als wäre sie das nicht, denn so machte man das in ihrer Welt. »Ich werde sehr viel zu tun haben, in den paar Tagen hier. Morgen gehe ich zu einer Uraufführung, und mein Mann möchte, dass ich ihn am Donnerstag begleite.« Das klang nach einem wichtigen Termin, doch dann fügte sie hinzu: »Nach Disneyland.«
»Wir können uns nach Ihnen richten.«
»Wie wär’s mit Donnerstagabend, wenn Sie aus Disneyland zurückkommen?«, schlug Charmaine vor.
»Ich kann es nicht versprechen«, sagte Mum feierlich, »aber ich werde gucken, ob es sich einrichten lässt.«
»Wir würden uns sehr freuen.«
37
U nd wie sieht das Programm für heute aus?« Emily war noch im Schlafanzug, trank ein Glas Jolt und rauchte die erste von sechzig Zigaretten des Tages.
»Ich fahre sie nach
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