Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
eine Straße, eine Reihe Palmen und ein Fahrradweg. »Guckt mal«, sagte Anna ganz aufgeregt, als zwei karamellbraune, ein Meter achtzig große Mädchen mit blonden Pferdeschwänzen auf Rollerblades vorbeiglitten. »Willkommen in Kalifornien.«
Das Hotel war hell und freundlich und hatte einen Swimming-Pool und, wie in der Broschüre erwähnt, Regenschirme, doch Mum schien nervös und zerstreut; sie huschte durch das Zimmer, zog alle Schubladen auf und guckte überall nach, und
erst, als sie entdeckte, dass unter dem Bett nicht gesaugt worden war, wurde sie ruhiger. Da sie selbst eine schlechte Hausfrau ist, mag sie es gar nicht, wenn andere besser putzen als sie selbst.
»Es ist ganz hübsch hier«, gab sie schließlich zu.
Helen war nicht so beeindruckt. »Beinahe wären wir im Château Marmont gelandet!«, sagte sie.
»Helen hat mir erzählt, es sei ein Kloster«, sagte Mum entrüstet. »Wenn Nuala Freeman nicht gewesen wäre, die mir gesagt hat, was es tatsächlich ist –«
»Ein glanzvoller Palast«, unterbrach Helen sie, »in dem die Stars von Bühne und Film absteigen. Es wäre großartig gewesen.«
Einer der Gründe, warum sie – oder wenigstens Mum und Dad – nach L.A. gekommen waren, war ihre Sorge um mich, und sie hatten noch nicht ausgepackt, als ich schon gebeten wurde, einen Bericht über mein emotionales Wohlergehen abzuliefern. Irgendwie hatte Mum mich in eine Ecke gedrängt, kam mit ihrem sorgenvollen (orange getönten) Gesicht ganz nah an mich heran und fragte sanft: »Wie ist es dir denn in den letzten Wochen ergangen, seit … du weißt schon?« Aus der Nähe sah ich, dass ihr Hals streifig war, aber ihre Augen blickten freundlich, und ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich könnte sagen: »Ich habe die Bestätigung bekommen, dass mein Mann eine Freundin hat, dann habe ich mit einem Mann, der eine große Nase hat, Bondage-Sex gehabt, und er hat mich danach nicht wieder angerufen, dann habe ich meine erste Liebe, Shay Delaney, wieder getroffen, der mich nach Kräften ignorierte, obwohl zwischen uns immer eine Verbindung bleiben wird, wenigstens in meinem Kopf, dann habe ich mit einer Frau geschlafen, die Brustimplantate hat, und sie hat mich auch nicht gewollt. Ich bin ins Dunkel hinabgestiegen und habe mich so entgegen meinem Wesen verhalten, dass ich Angst vor mir selbst bekam, und ich weiß immer noch nicht, was aus mir und meinem Leben und meiner Zukunft und meiner Vergangenheit werden soll.« Wovon sollte ich zuerst erzählen? Von dem Sex mit einer Frau? Von Troy und wie er mich an seinen Bettpfosten festgebunden hatte?
»Es geht mir ganz gut, Mum«, sagte ich.
Ihr liebevoller Blick ruhte weiter auf mir, und ich bemerkte, dass sie eine Stelle unter ihrem Ohr ausgelassen hatte, und in dem Moment empfand ich unendliche Zärtlichkeit für sie.
»Meinst du das ehrlich?«
»Ja.«
»Na, Gott sei Dank«, seufzte sie. »Ich dachte schon, vielleicht seist du ein wenig … aus der Fassung geraten.«
»Gibt’s was Neues von zu Hause?« Ich wollte möglichst schnell das Thema wechseln.
»Du hast gehört, dass bei uns eingebrochen wurde, oder?«
»Nein! Was ist passiert?«
Sie brachte ihr orangefarbenes Gesicht noch näher an mich heran und erzählte mir die Geschichte. Anscheinend war es so, dass Dad eines Morgens, als er nach unten kam, um Mum ihre erste Tasse Tee zu machen, einem ihm nicht bekannten jungen Mann begegnete. »Morgen«, sagte Dad, denn ein ihm nicht bekannter junger Mann war an sich nichts Ungewöhnliches. Da er fünf Töchter hatte, gab es reichlich Gelegenheit zu solchen Begegnungen. Doch dann bemerkte Dad, dass der Junge zwei von seinen Golf-Pokalen unter dem Arm hatte. Und dass die Mikrowelle neben der Tür stand, zusammen mit dem Fernseher.
»Was haben Sie mit meinen Pokalen vor?«, fragte Dad verunsichert.
»Ach, Mist!«, rief der Junge verstört, ließ die Pokale fallen und suchte das Weite. Erst dann sah Dad, dass der Schlüssel noch in der Tür steckte – wo Helen ihn am Abend zuvor stecken gelassen hatte –, und begriff, dass der Junge kein Verehrer einer seiner Töchter war, sondern ein Dieb auf frühmorgendlichem Beutezug.
»Zum Glück war dein Vater aufgestanden«, sagte Mum, »sonst wären uns noch die Betten im Schlaf gestohlen worden. Und einmal kam Anna nach Hause und hat sich Baked Beans warm gemacht und ist darüber eingeschlafen.«
»Da war ich noch zu Hause.«
»Wirklich? Wir hätten alle in unseren Betten verbrennen können.
Weitere Kostenlose Bücher