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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ein billiger Grund ist, ihn als Langweiler zu betrachten – und wenn man ihn kennen lernt, könnte man sein stilles Wesen mit einem langweiligen verwechseln. Doch meiner Meinung nach ist es ein Irrtum, einen zahlentechnisch begabten Menschen automatisch für langweilig zu halten; der langweiligste Mensch, dem ich je begegnet bin, war der widerwärtige Schriftsteller-Geliebte namens John, den Donna vor einiger Zeit hatte. Einmal sind wir zum Essen ausgegangen, und er hat uns TÖDLICH gelangweilt, mit langen Monologen über andere Schriftsteller, und dass sie überbezahlte und berechnende Ekel seien; dann fragte er mich über irgendwas aus und bohrte mit der Hartnäckigkeit eines Gynäkologen in mir herum. »Wie hast du dich gefühlt? Warst du traurig? Kannst du das nicht genauer beschreiben? Dein Herz drohte zu brechen? Jetzt kommen wir der Sache schon näher.« Dann ist er aufs Klo gerannt, und ich war mir völlig sicher, dass er alles in sein Notizbuch schrieb, um es in seinem Roman zu benutzen.
    »Du darfst nicht auf Liams Flachbildschirm-Fernsehgerät neidisch sein«, sagte ich zu Garv und tat mit einer gewissen Erleichterung so, als hätte seine gedrückte Stimmung damit zu tun, dass sein Freund mehr besaß als er selbst. »Es hat ihn schließlich angegriffen, oder? Vielleicht muss es eingeschläfert werden.«
    »Ach.« Garv zuckte mit den Schultern, ein klares Zeichen, dass es ihm etwas ausmachte. »Mir macht das nichts aus.« (Es ist auffallend, dass er zwar nichts dagegen hat, mit Donna über ihre Probleme zu sprechen, aber große Zurückhaltung zeigt, wenn es um seine eigenen Gefühle geht, selbst solche für einen Fernseher.)
    »Aber weißt du, was er gekostet hat?«, platzte es aus ihm heraus.
    Natürlich wusste ich das. Jedesmal, wenn Garv und ich zum Einkaufen in die Stadt fuhren, mussten wir bei Brown Thomas in die Elektronik-Abteilung gehen und vor nämlichem Flachbildschirm-Fernsehgerät stehen bleiben und es in seiner
ganzen Zwölftausend-Pfund-Pracht bewundern. Obwohl Garv gut verdiente, hatte sein Gehalt, im Gegensatz zu Liams, nicht so viele Stellen wie eine Telefonnummer. Und wenn man die Hypothek für unser Haus, die Kosten für zwei Autos, Garvs Sucht nach CDs und meine nach Gesichtscremes und Handtaschen zusammenrechnete, blieb einfach nicht das Geld für einen Flachbild-Fernseher übrig.
    »Mach dir nichts draus. Wahrscheinlich ist er kaputtgegangen, als er von der Wand fiel. Und irgendwann wirst du dir auch einen leisten können.«
    »Meinst du?«
    »Na klar. Sobald wir das Haus fertig eingerichtet haben.«
    Das schien ihn aufzuheitern. Mit frischer Energie half er, die Einkäufe auszupacken. Und da passierte es. Er nahm die Schachtel mit den Schokotrüffeln heraus und rief: »He, guck mal!« Seine Augen blitzten. »Hier sind wieder diese Pralinen. Ob sie uns verfolgen?«
    Ich sah ihn an, sah die Schachtel an und wieder ihn. Ich hatte keinen Schimmer, wovon er sprach.
    »Du weißt schon«, sagte er etwas anzüglich. »Die hatten wir doch, als –«
    Er brach ab, und ich starrte ihn mit neugierig gerunzelter Stirn an. Er starrte zurück, und ganz plötzlich passierten mehrere Dinge auf einmal. Das spielerische Funkeln in seinen Augen erlosch und wich einem Ausdruck von Angst. Oder Entsetzen, könnte man sagen. Und bevor sich meine Gedanken geordnet hatten, wusste ich Bescheid. Er sprach von einer anderen, von einem intimen Moment mit einer Frau, die nicht ich war. Von einem Moment, der vor kurzem gewesen war.
    Ich hatte das Gefühl, zu fallen, immer weiter, immer tiefer. Ich befahl mir, damit aufzuhören. Und dann wurde mir etwas anderes klar: Ich konnte das nicht. Ich konnte nicht mit ansehen, wie das Zusammenbrechen meiner Ehe andere Menschen ergriff und sie auch in den Abgrund schleuderte.
    In plötzlichem Schweigen erstarrt, fixierten wir uns, und ich spürte den flehentlichen Wunsch, er möge etwas sagen, er möge es erklären, damit es aufhört. Aber er war vor Entsetzen gelähmt – es war das gleiche Entsetzen, das ich spürte.
    »Ich –«, brachte er heraus, dann verstummte er.
    Plötzlich bohrte sich mir ein scharfer Schmerz in einen Backenzahn, und ich verließ wie im Traum das Zimmer.
    Garv kam mir nicht nach, er blieb in der Küche. Ich hörte keine Geräusche und nahm daher an, dass er immer noch da stand, wo er gestanden hatte, als ich rausging. Das allein erschien mir wie ein Eingeständnis von Schuld. Ich bewegte mich weiter in meinem wachen Albtraum, nahm die

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