Auszeit
Wie auch zwei Holzscheite im Kamin nicht zu weit auseinander, aber auch nicht zu nah liegen dürfen, wenn das Feuer zwischen ihnen gut brennen soll. Oder wie die Hände, die ein Gummiband halten, den richtigen Abstand brauchen, um eine gesunde Spannung zu erhalten, damit das Band weder lasch durchhängt, noch überdehnt wird und gar zerreißt.
Für das Maß des richtigen Abstandes gibt es allerdings keine Patentlösung. Viele Paare versuchen, sich in gesellschaftliche Idealformen hineinzupressen und scheitern früher oder später daran. Wie viel Raum jemand braucht, ist sowohl kulturell sehr verschieden als auch von unserer Erziehung und Grundveranlagung abhängig. Es gibt Menschen, die sind eher distanziert und brauchen viel Raum zum Alleinsein, und andere sind Kontakttypen, die viel Nähe und Zweisamkeit brauchen, um sich wohl zu fühlen. Jede Beziehung muss da ihre eigene gesunde Form finden. Es mag Paare geben, die nahezu alles gemeinsam machen, womöglich sogar beruflich zusammenarbeiten, und sich damit wohl fühlen – und andere, die jeweils viel Raum brauchen, unter Umständen an verschiedenen Orten wohnen und aus der Spannung, die dieser Abstand kreiert, das Knistern ihrer Beziehung erleben, ihr Zusammensein genießen, genauso wie ihr Alleinsein. Jeder weiß dann, dass der andere nicht von einem selbst weggeht, sondern zu sich hin (was gefühlsmäßig einen ganz entscheidenden Unterschied macht!). Voraussetzung einer guten Beziehung ist also, so früh wie möglich zu klären, wie viel Raum und Abstand der jeweilige Partner braucht, zu experimentieren, wie viel Nähe gut tut und wann sie zu viel wird, und die jeweils eigene Form dafür zu finden. – Wie bei den Stachelschweinen geht es also darum, »so weit voneinander entfernt zu sein, dass man den anderen nicht verletzt, aber doch wiederum gerade so nahe, um ausreichend Wärme zu bekommen«. Nur so können wir die Winterzeiten des Lebens friedlich und wohlbehalten überstehen!
|96| Fragen zum Nachdenken
Was geschieht mit mir, wenn es mir zu eng wird und ich nicht genügend Raum für mich habe? Und was, wenn ich zu viel allein bin?
Sorge ich ausreichend für meinen Raum, in der Beziehung, wie auch anderen gegenüber?
Was möchte ich in meinem Leben verändern, um einerseits mehr Raum für mich, andererseits aber auch genügend Nähe, Wärme und Geborgenheit zu haben?
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|97| Der Blick auf andere
Vor nicht allzu langer Zeit sorgte der amerikanische Multi-Milliardär Waren Buffett in den Schlagzeilen der Weltpresse für Furore, als er 37 seiner 40 Milliarden Dollar spendete. Warum erregte dies die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit so stark? In erster Linie wohl, weil die Freigiebigkeit reicher Leute nicht immer die Regel ist. Und nicht selten fragt man sich, warum gerade wohlhabende Menschen eher geizig als spendenfreudig sind. Eine Frage, die nicht neu ist.
Zum griechischen Popen von Epidauros kam eines Tages ein armer Krüppel, der schon seit längerem der Gemeinde zur Last fiel. »Hochwürden Panagios«, fragte er, »warum ist ein armer Mann, wenn ich ihn um Hilfe bitte, immer voll Mitleid und bereit zur Hilfe, während der Reiche, der es doch hätte, ablehnt, mir etwas zu geben?«
Der Pope führte ihn in seine Stube und ließ ihn durchs Fenster blicken. »Was siehst du da?«, fragte er den Krüppel .
»Einen Bauern, ein Pferd und einen Wagen«, antwortete der. Daraufhin führte der Pope ihn vor einen Spiegel im Hintergrund des Zimmers. »Und was siehst du jetzt?«, meinte er.
»Jetzt sehe ich nur mich«, war die Antwort.
»Also ist es doch klar«, sagte der Seelsorger, »wenn du |98| durch klares Glas blickst, siehst du die anderen, sobald aber hinter dem Glas eine Menge Silber ist, siehst du nur noch dich selbst.«
Diese Parabel kann zwei Ebenen des Umgangs mit anderen ansprechen. Zum einen die materielle: Warum gibt der Arme eher als der Reiche? Die Antwort dieser Geschichte: Zu viel Reichtum kann den mitfühlenden Blick auf andere versperren, sodass man nur noch die eigenen Belange wahrnimmt. »Reichtum macht hartherzig«, heißt es. In vielen Fällen mag das wohl so sein. Umgekehrt sind viele Menschen, die es selbst schwer haben oder hatten, offener für die Nöte anderer und im Rahmen ihrer Verhältnisse oft auch hilfsbereiter. – Daneben gibt es aber natürlich auch etliche reiche Menschen, die gerade ihre finanziellen Mittel und Möglichkeiten nutzen, um anderen zu helfen. Oft im Verborgenen, da mit der
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