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Auszeit

Auszeit

Titel: Auszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco von Münchhausen
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helfen.« Der zweite wandte sich ab und ging seines Wegs, er änderte seine Meinung nicht.
    Der Hilfsbereite stieg zu dem Verunglückten hinunter, hob ihn unter großer Gefahr mühsam auf seine Schultern und trug ihn bergan. Durch diese Anstrengung wurde ihm warm, und seine Wärme übertrug sich auf den schon ganz steifen Verunglückten.
    Unterwegs fand der Retter seinen früheren Begleiter. |103| Müde, wie er war, hatte er sich hingelegt und war im tiefen Schnee erfroren.
    Der Helfer aber hatte nicht nur einen Mitmenschen, sondern auch sich selbst vor dem Tod des Erfrierens gerettet .
    Und wahrscheinlich ist das der wahre Lohn: Indem man anderen hilft, tut man sich selbst etwas Gutes. Dies wusste schon König Salomon, der in seinen Sprüchen im Alten Testament der Bibel sagte: »Wer Erbarmen übt, tut sich selbst wohl.« Doch funktioniert es nicht nur im physischen Sinn, wie in der Geschichte vom hilfsbereiten Forscher. Der eigentliche Lohn erfolgt auf der seelisch-psychischen Ebene: Wenn wir etwas für andere tun, dann tut es uns selbst gut, und zwar unmittelbar im Augenblick der Tat. Wir bekommen gewissermaßen in »Seelenwährung« sofort vergütet, was wir tun – ein instant return on investment . Nicht erst später im »Jenseits«. Daher müsste es heißen: Wir werden nicht – erst später – für unsere guten Taten belohnt, sondern durch unsere guten Taten – im Augenblick, da wir sie tun! Denn der Mensch hat anscheinend ein natürliches tiefes Bedürfnis zu geben. Und er ist froh, wenn er jemanden findet, dem er geben kann. Das kann man schon an der Freude kleiner Kinder erkennen, wenn sie einem etwas Selbstgebasteltes schenken. Demgemäß fährt König Salomon in seinen Sprüchen fort: »Wer anderen gerne hilft, wird wohlgenährt; wer andere sättigt, wird auch selbst gesättigt.« Insofern könnte man sogar sagen: »Was auch immer wir für andere tun, wir tun es (auch) für uns!« Gewissermaßen geht es um einen gesunden »altruistischen Egoismus«, der auch unabhängiger machen kann von der Anerkennung durch andere. – Wir dienen uns selbst, wenn wir anderen dienen!

    |104| Fragen zum Nachdenken
Wann habe ich schon die Erfahrung gemacht, dass es sich gelohnt hat, jemandem zu helfen, auch wenn ich es vielleicht gar nicht erwartet habe?
Habe ich schon erlebt, dass es mir selbst guttut, etwas für andere zu tun? Was genau empfinde ich dabei?
Wie könnte ich – auch nur im Kleinen – mehr für andere tun?

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|105| Ganz bei der Sache
    Ein Bauernmädchen war auf dem Weg zu seinem Geliebten . Sie kam an einem Mullah vorüber, der betete. In seiner Unwissenheit schritt sie einfach an ihm vorbei, ohne ihm ihre Ehrerbietung zu erweisen. Der Mullah war darüber sehr zornig, und als das Mädchen zurückkehrte, schalt er es für sein Vergehen. »Mädchen, was hast Du für eine Sünde begangen, als du, ohne mich zu beachten, an mir vorübergingst, während ich betete.« Sie antwortete: »Was ist das – beten?« Er erwiderte: »Ich dachte an Allah, den Herrn des Himmels und der Erde, und hielt Zwiesprache mit ihm.«
    Da sagte die Gescholtene: »Es tut mir leid. Ich weiß kaum etwas von Allah und vom Beten. Ich war auf dem Weg zu meinem Geliebten und war ganz von dem Gedanken an ihn erfüllt. Da war kein Platz mehr für anderes. Ich sah also nicht, dass du gebetet hast. Aber wie konntest du mich sehen, wenn du nur an Allah dachtest?«
    Ganz von einem Gedanken erfüllt sein, mit ungeteilter Aufmerksamkeit in einer Tätigkeit aufgehen, ist ein Zustand, den wir in der heutigen schnelllebigen Multitasking-Welt immer seltener erleben. Infolge zunehmender Reizüberflutung unterliegen wir einer permanenten »Chaosberieselung«, die den Scheinwerfer unserer Aufmerksamkeit zwischen den verschiedenen Dingen |106| hin und her schweifen lässt und verhindert, dass wir länger bei einer Sache bleiben. Oft beschäftigen wir uns sogar mit mehreren Dingen gleichzeitig und infolgedessen mit keiner Sache so richtig. Neueste Forschungen haben ergeben, dass unser Gehirn sich nicht mit zwei Dingen gleichzeitig optimal beschäftigen kann. Bei Doppelbelastung werden beide Angelegenheiten qualitativ schlechter durchgeführt. Ohne dass wir es bewusst merken, können wir dabei immer mehr in eine Verfassung innerer Unruhe und Zerrissenheit geraten.
    Wenn es uns dagegen gelingt, für eine gewisse Zeit ganz bei einer Sache zu sein, werden unsere mentalen Kräfte wieder gesammelt und gebündelt. Wir können in dem, was

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