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Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Greimann
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zuvor. Ein bisschen weniger kannibalisch. Er lehnte sich zurück, streckte beide Arme über die Lehne aus und schien sich zu entspannen. »Sie haben echt Mumm!«
    Ich räusperte mich und kam mir ziemlich bescheuert vor. Meine Professoren hatten immer betont, wie wichtig es sei, in stressigen Situationen die Ruhe zu bewahren. Dr. David hätte wahrscheinlich mittlerweile schon längst Bomstads Schuhgröße gekannt und mit Angler Termine für eine Anti-Aggressions-Therapie ausgemacht - montags und mittwochs. »Es tut mir leid. Seit Mr. Bomstads Tod bin ich ein wenig … übernervös.«
    »Übernervös.« Er schnaubte amüsiert. »Das glaube ich, ein toter Kerl in Ihrer Praxis ist ja nicht ohne.« Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen einen Moment lang an. »Waren Sie in ihn verknallt?«
    Seine Miene schien nun ernst und sachlich, die Frage ehrlich gemeint zu sein. Ich beschloss, ihm eine ebenso ehrliche Antwort zu geben. Einfach nur, um zu sehen, wie das ankam. »Er war seit einigen Monaten jeden Donnerstag bei mir in Therapie.« Ich atmete bewusst tief ein und versuchte, meine Nerven zu beruhigen. »Beim letzten Mal hat er versucht, mich zu vergewaltigen.«
    Irgendetwas glänzte in den unergründlichen Tiefen seiner Augen. Ich war mir nicht ganz sicher, was es war, hatte aber meine Meinung in Bezug auf das Szenario mit der dunklen Straße geändert. Wenn er mich anmachen sollte, dann könnte ich mir immer noch die Pulsadern aufschneiden und die Sache hinter mich bringen.
    »Versucht?«, fragte er.
    Vorsichtig atmete ich aus und bemühte mich, meine Hände unter Kontrolle zu halten. »Ich habe geschrien, ihm mein Knie in den Schritt gerammt …« Ich wollte noch mehr erzählen, aber das war leichter gesagt als getan. Scheinbar herrschte akuter Sauerstoffmangel in diesem Raum.
    Stille. Ich spielte trotz meiner akademischen Bildung an meiner Serviette herum. Nicht zu fassen!
    »Was woll’n Sie wissen?«, fragte er schließlich.
    Ich schaute hoch. Sein Tonfall hatte sich verändert. Wenn ich bloß herausfinden könnte, inwiefern. Aber mein Vater, ein runzeliger, kleiner Farmer aus North Dakota, hatte mich mehr als einmal ermahnt, das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß ist. »Wie gut kannten Sie ihn?«, fragte ich daher.
    Angler neigte den Kopf ein wenig und kniff die Augen zusammen. »Er hat meine Alte gevögelt.«
    Die Worte »Ach du Scheiße« schossen mir durch den Kopf. Ich war mir nicht ganz sicher, ob sie meine Lippen erreichten. »Haben Sie sie … ich meine …«
    Er kniff die Augen zusammen und betrachtete mich. »Miteinander erwischt? Ja, habe ich. Bei ihm. Sie hat sich von ihm bumsen lassen wie eine läufige Hündin.«
    Mir fielen bald die Augen aus dem Kopf. Ich hatte das Gefühl, dass alle anderen Anwesenden durch meine Haut hindurchsehen konnten. Rollentausch ist echter Mist.
    »Das tut mir leid.« Das war das Beste, was mir in dieser Situation einfiel.
    »Mir tut es leid, dass ich ihm nicht eine Platzpatrone in den Hintern geschoben hab«, sagte er. Seine Stimme zitterte leicht. Er sah zur Seite. Ich starrte auf meinen Schoß.
    »Aber ich hab ein Kind. Ist grad vier geworden. Ich will nicht mehr in den Knast.«
    »Sie waren im Gefängnis?«
    »Elf Monate hab ich im Bau gesessen. Der Stecher war es nicht wert, das wieder zu riskieren.« An seinem Kiefer zuckte ein Muskel. Ich fragte mich, ob er psychiatrische Hilfe bekommen hatte, bezweifelte aber stark, dass er es besonders toll fände, wenn ich ihn danach fragte.
    »Waren Sie befreundet?«
    Er schnaubte. »Wie seh ich aus? Etwa wie ein Vollidiot?«
    »Warum waren Sie bei ihm?«
    Der Muskel an seinem Kinn zuckte erneut. »Er sagte, ich solle ihn abholen. Ich war grad in der Nähe, und er hatte mich schon ein paar Mal mitgenommen.«
    Für mich klang das so, als wären sie Freunde gewesen. »Also …« In meinem Kopf wirbelte alles durcheinander wie in einem Whirlpool. Bomstad war wirklich kein angenehmer Zeitgenosse gewesen. »Er wusste, dass Sie kommen würden.«
    »Der Mistkerl hat die Uhrzeit selbst bestimmt.«
    »Haben Sie eine Ahnung, warum er das getan hat?«
    »Sie sind doch hier diejenige, die in der Scheiße herumwühlt!«
    Ich starrte ihn an. Dann fiel der Groschen. »Ach ja, die Seelenklempnerin.«
    Unsere Getränke kamen. Bier und Eistee. Sich sinnlos zu betrinken, wäre schon schön gewesen. Leider aber auch nicht gerade sonderlich weise.
    »Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?« Der Kellner lächelte erst Angler, dann mich an,

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