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Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Greimann
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was bedeutete, dass er schwul sein musste. Ich hatte einfach kein Glück.
    Angler brummelte irgendetwas, was ich nicht verstand. Ich lehnte dankend ab. Wir tranken bedächtig und vermieden es ein paar Minuten lang tunlichst, uns dabei anzusehen.
    »Hat er’s Ihnen erzählt?«, fragte er schließlich. Sollte ich mir jetzt den Rest der Frage zusammenreimen oder was? »Über sich. Hat er Ihnen die ganze Kacke erzählt?«, fügte er glücklicherweise noch hinzu.
    Ich kam mir ziemlich idiotisch vor. Immerhin war ich Bomstads Therapeutin gewesen - ich war da, um ihn zu analysieren und ihm zu helfen. Aber wenn einem der Patient in der eigenen Praxis stirbt, fragt man sich schon mal, ob man vielleicht irgendwo einen Fehler gemacht hat. Dennoch versuchte ich, die Frage abzuwehren. »Manchmal sind die Patienten so schwer gestört, dass es für sie unmöglich ist, ihre wahren Beweggründe mitzuteilen - selbst ihren Therapeuten. Es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, warum das so ist, aber sie scheinen nicht in der Lage zu sein, ihre wirklichen -«
    »Was erzählen Sie da für einen Mist?«
    Ich sah ihm in die Augen, fühlte mich schrecklich müde und stellte mir die gleiche Frage. »Nein, er hat mir nicht die ganze Kacke erzählt«, sagte ich. »Nur einen Haufen Unsinn.«
    Er nickte, trank seinen halben Bierkrug in einem Zug aus und nickte wieder.
    »Haben Sie mit ihm gevögelt?«
    Ich öffnete den Mund. Er schüttelte den Kopf. »Ich hab Ihnen die Wahrheit erzählt, jetzt sind Sie dran.«
    »Nein«, erwiderte ich. »Habe ich nicht.«
    »Wollten Sie?«
    Wieder öffnete ich den Mund. Er hob eine Braue, als ob er genau wusste, dass ich kurz davor war, eine ausweichende Antwort zu geben. Für eine Kampfmaschine wie ihn hatte er einen erstaunlichen Tiefblick.
    »Ja«, gab ich zu. »Wollte ich, irgendwie jedenfalls.«
    Er grinste. »Sie sind schwer in Ordnung«, sagte er und trank genügend Bier, um ein Schlachtschiff damit zu versenken. Dann goss er sich ein neues ein. »Für eine Weiße.«
     
    Noch zehn Minuten später, als ich die Bar verließ, war es dieser wohltuende Nachtrag, der mich zufrieden an das Gespräch zurückdenken ließ. Angler hatte mir zwar nicht angeboten, mich hinauszubegleiten, aber er hatte auch nicht Hackfleisch aus mir gemacht. Von daher ging ich davon aus, dass der Punkt an mich ging. Ich wandte mich noch einmal zu ihm um und sah, dass unser Kellner zu seinem Tisch zurückgekehrt war. Sie lachten zusammen, und einen paranoiden Moment lang fragte ich mich, ob der Witz wohl auf meine Kosten gegangen war, aber danach sah es nicht wirklich aus. Eigentlich sah es eher aus wie … Flirten. Angler schaute hoch. Seine Augen bewegten sich ziemlich träge, und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er meinen Blick gespürt hatte. Ich schaute weg und huschte nach draußen. Fünf oder sechs junge, lautstark palavernde, betrunkene Angebertypen standen vor der Tür zusammen. Soweit ich sah, hatte keiner von ihnen meine blasse Hautfarbe, aber was ihre faszinierenden Frisuren anbetraf, so waren sie mir um Längen voraus. Sie musterten mich interessiert, als ich mir meinen Weg durch sie hindurchbahnte. Rauch waberte dick wie Jambalaya durch die Dunkelheit. Kaliforniens Luft mag ja in hohen Dosen giftig sein, aber wir waren absolut nicht bereit, den Rauchern zu erlauben, unsere Bars mit Nikotin zu verpesten, und selbst diese jungen Aufständischen hier hatten nicht den Schneid, gegen diese Regel zu rebellieren. Aber sie waren auch nicht bereit, mit dem Rauchen aufzuhören. Obwohl das eine wirklich widerliche Angewohnheit ist. Eklig, dachte ich und erinnerte mich an die Aufnahmen von Raucherlungen, die uns in der Highschool gezeigt worden waren. Aber Lungen sahen in so ziemlich jedem Zustand eklig aus, und die Botschaft ging bei Jugendlichen, die ihr Leben dafür geben würden, um cool zu sein, zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus.
    Dankbar atmete ich den blauen Dunst ein und schlängelte mich durch die Süchtigen hindurch. Kaum einer trat weit genug beiseite, um mich durchzulassen. Einer von ihnen, ein schlaksiger Kerl, streifte sogar mit seiner Schulter meine linke Brust. Vielleicht lag es an meinem Beruf, doch ich bezweifelte stark, dass das nur ein Zufall gewesen sein sollte. Wie dem auch sei, ich entschloss mich, auf den schönen Rauch zu verzichten, und eilte zum Auto. Meine schicken, verdammt professionellen Absätze klapperten bei jedem Schritt auf dem Gehweg. Der Parkplatz war schlecht beleuchtet, aber

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