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Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Greimann
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warum ich monatelang nicht mehr essen gegangen war, um das Geld für meine Ausbildung zu bezahlen: die einmalige Chance, einen vertrockneten kleinen Mann zu erleben, der seine Schultern straffte und sich auf seine guten Seiten besann. Die gleichen Ergebnisse hatte ich auch erzielt, als ich im Warthog in einem abgeschnittenen Overall und einer karierten Bluse gearbeitet hatte, mit dem Unterschied, dass meine Patienten jetzt meine Ratschläge nicht mehr durch eine alkoholbedingte Trübung ihrer Sinne entgegennehmen mussten.
    Ich lächelte ihn an. Es fiel mir nicht immer leicht, Mr. Lepinski zu mögen. Im Moment aber mochte ich ihn sehr. »Sie sind ein guter Mensch, Mr. Lepinski. Die Verkörperung eines zuverlässigen Bürgers. Zuverlässig, intelligent und anständig.«
    Er wusste genau, worauf ich hinauswollte. Ich konnte es von seinen Augen ablesen, aber er weigerte sich, es zuzugeben. Manchmal ist Angst eben so. Ausweichend, beständig und destruktiv.
    »Aber der Bomber war ein echter Krieger!«, sagte er. »Ein Tier.«
    »Das war er«, stimmte ich ihm zu. Möglicherweise schlich sich ein wenig mehr ehrliche Inbrunst in meinen Ton, als nötig gewesen wäre, aber Lepinski schien es nicht zu bemerken.
    »Welche Aussichten habe ich denn dann?« Seine Schultern sanken schon wieder nach unten.
    »Also …« Ich zuckte mit den Schultern und versuchte, mich so locker und lässig wie immer zu geben, aber die Vorstellung des dürren, kleinen Jungen in einem Anorak der Lions bewegte mich auf merkwürdige Weise.
    »Wollen Sie es sich etwa zur Gewohnheit machen, sich die Köpfe einzuschlagen mit Schränken von Männern, die Hackfleisch aus Ihnen machen wollen?«
    Er starrte mich finster an. »Das ist absurd.« »Und wie sieht es mit Ihrer Ernährung aus? Nehmen Sie Steroide, essen Sie riesige Mengen Fleisch und trinken Sie bis zum Umfallen?« Und legen Sie die Frau Ihres besten Freundes flach?, fügte ich im Geiste hinzu.
    »Manchmal trinke ich abends ein Glas Rotwein.«
    Ich lächelte ihn an. »Die Antwort ist doch nein, Mr. Lepinski«, sagte ich. »Sie machen keins dieser Dinge.«
    »Rauchfleisch enthält viel gesättigtes Fett und -«
    »Der Punkt ist doch«, unterbrach ich ihn, bevor die Sache hier aus dem Ruder lief. »Ein jeder ist seines Glückes Schmied. Stimmen Sie mir zu?«
    Wieder starrte er mich an. Einen Moment lang dachte ich, er hätte mir nicht zugehört, doch dann machte er den Mund auf. »Nahm der Bomber Steroide?«
    Seine Stimme war dünn, und ich fand es unglaublich merkwürdig, dass ein dürrer, kleiner Junge, der zweifellos für seine Schwächen schikaniert und gequält worden war, immer noch seinen Peinigertyp vergötterte.
    »Ich glaube schon«, antwortete ich. »Ganz zu schweigen von den ganzen anderen gefährlichen Substanzen.«
    »Aber er war so … kraftvoll!«
    »Das stimmt.« Ich erinnerte mich an seine Hand auf meiner Brust, die mir die Luft geradezu abschnürte, und merkte, dass mir selbst jetzt noch der Atem stockte. »Er war außerdem ziemlich brutal.«
    Vielleicht hätte ich das besser nicht laut ausgesprochen. Vielleicht hätte ich meine Gedanken besser für mich behalten. Aber ich wiederholte es noch einmal. »Er war brutal, er war egozentrisch, und er traf mehr als armselige Entscheidungen.«
    Lepinski starrte mich an, zwinkerte dann und schien nicht in der Lage zu sein, seine Illusionen aufzugeben. »Aber er war doch ein Krieger!«
    In dieser Nacht schlief ich nicht bedeutend besser als in den vorherigen zwei Nächten. Stundenlang starrte ich an die Decke und dachte an die Virginia Slims, die ich in der Praxis vergessen hatte. Mein Verstand war so fleißig wie eine Prostituierte, die es für zwei Dollar die Stunde machte.
    Aber er war doch ein Krieger. Seine Worte gingen mir immer und immer wieder durch den Kopf wie ein mysteriöses Mantra. Bomstad war ein Krieger gewesen, noch dazu einer, der es vorzog, in meiner Praxis zu sterben. Okay, vielleicht war vorziehen nicht das richtige Wort, aber er war gestorben, der verdammte Mistkerl, und seitdem stand meine Welt Kopf. Genauer betrachtet hatte sie damit schon einige Minuten vor seinem Tod begonnen, dachte ich und löffelte weiter Kraftfutter fürs Hirn aus der frostigen Häagen-Dazs-Packung.
    Er hatte sich verabschiedet und mir diesen idiotischen Lieutenant aufgehalst, der fest davon überzeugt war, dass ich etwas mit seinem Ableben zu tun hatte.
    Was natürlich absolut lächerlich war. Warum sollte ich einen Krieger umbringen? Einen

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