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Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Greimann
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mochte.
     
    Miguel erhob sich von seinem Stuhl, sobald er mich entdeckt hatte. Er war kein großer Mann, aber er stand kerzengerade wie ein Soldat, und seine Augen ließen mich nicht eine Minute aus dem Blick. Nichts kann einem so sehr das Gefühl vermitteln, man hätte vergessen, seine Unterwäsche anzuziehen, wie die Augen eines Latinos.
    »Ms. McMullen«, begrüßte er mich. Ich versuchte, mich so professionell und schroff wie möglich zu geben, doch er ergriff meine Hand mit beiden Händen. Seine Augen glänzten dunkel und sanft wie die eines Spaniels.
    »Mr. Rodriguez«, sagte ich steif und zog meine Hand zurück. Er hielt sie noch einen Augenblick fest, dann gab er nach und wies auf den Sitz gegenüber.
    Ich schlüpfte auf die Bank. Seide auf Leder. Schweigend betrachtete er mich eine Weile, während ein Lächeln seine Lippen umspielte. »Ich bin überrascht, dass Sie überhaupt Patienten haben«, sagte er. »Sie müssen doch nach dem ersten Blick auf Sie schon wieder geheilt sein.«
    Ein Akzent und Komplimente. Jetzt bloß einen kühlen Kopf bewahren, Mädchen! Immerhin war ich nicht für ein Tête-à-tête hergekommen. Ich straffte die Schultern und bedachte ihn mit einem extrakühlen Blick. Meine kanarienvogelgelbe Bluse saß wie eine zweite Haut. Sie hatte Flügelärmel und eine graue Biese, die sich zwischen meinen Brüsten überkreuzte. Mein Rock war aus elfenbeinfarbener Seide und kräuselte sich sanft. Die Sorgfalt, mit der ich mein Ensemble ausgewählt hatte, hatte nicht im Geringsten etwas mit Mr. Rodriguez zu tun.
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diese Namen für mich recherchiert haben.«
    Er lächelte. »Amerikanische Frauen. Überstürzen immer alles. Möchten Sie nicht lieber ein Glas Wein, bevor wir mit dem geschäftlichen Teil beginnen?«
    Ich bemerkte, dass er eine kleine Weinkaraffe vor sich stehen hatte. Der Wein in Rodriguez’ Glas glitzerte, aber es sah nicht so aus, als ob er schon daran genippt hätte.
    »Nein danke«, lehnte ich ab und setzte meine Handtasche auf dem Sitz neben mir ab. »Ich habe heute Nachmittag noch Sitzungen.«
    »Natürlich«, sagte er und lächelte. »Das stelle ich mir interessant vor.« Er hob sein Glas und schwenkte den Wein. »Ihren Beruf.«
    Ich musste an Mr. Lepinskis Lunch-Dilemmas denken. Armer Kerl. Er war der Vorzeigepatient par excellence für alle langweiligen Fälle geworden. »Ja«, nickte ich, »das ist er.«
    »Und Sie haben die großartige Chance … wie sagt man … eine Veränderung zu bewirken.«
    »Manchmal«, stimmte ich zu. Er seufzte und trank einen Schluck Wein.
    »Für unseren Andrew konnten Sie leider nicht viel tun, Christina. Ich darf doch Christina zu Ihnen sagen, oder?«
    Bei der Erinnerung an den Bomber sah ich Trauer in seinen Augen, und mir fiel kein guter Grund ein, warum er mich nicht beim Vornamen nennen sollte.
    »Christina geht in Ordnung.«
    »Er war ein junger Mann, der wirklich Probleme hatte.«
    Ach nee! »Es tut mir leid, aber ich war mir des Ausmaßes seiner Probleme damals nicht bewusst«, antwortete ich und tastete mich vorsichtig voran. »Ich nehme mal an, seine Frauengeschichten waren ein dauerhaftes Problem?«
    »Frauengeschichten.« Er schüttelte den Kopf. »In meinem Land wissen wir eine schöne Frau zu schätzen.« Seine Augen glänzten, und seine Lippe kräuselte sich erneut, als er mich anstarrte. »Aber Andrew … Oft habe ich geglaubt, dass er Frauen gehasst hat.«
    »Er hasste Frauen?«
    »Natürlich hat er sich zu ihnen … hingezogen gefühlt. Aber starke Frauen …« Er ballte eine Faust und legte den Kopf leicht auf die Seite. »Intelligente Frauen … die haben ihn geärgert, glaube ich.«
    Ich griff nach meinem Weinglas, nur um irgendetwas zu tun. Er schenkte mir ein, vielleicht aus demselben Grund.
    »Sie sind eine starke Frau, Christina«, sagte er.
    Ich trank einen Schluck Wein und versuchte, normal weiterzuatmen, obwohl die Erinnerung an Bomstads Berührungen in mir das dringende Bedürfnis weckte, sofort duschen zu gehen. »Kennen Sie jemanden, der ihn lieber tot als lebendig sehen wollte, Mr. Rodriguez?«, fragte ich.
    Er sah mich eine ganze Weile lang an und schwenkte dann seinen Wein. »Meine Arbeitgeber würden es wohl sehr begrüßen, wenn ich Ihnen diesbezüglich die Wahrheit verschweigen würde. Aber ja, Andrew war ein Mann, der sich andauernd Feinde machte.«
    »Feinde, die bereit waren, ihn umzubringen?«
    »Niemand, den ich kenne.«
    Und bis jetzt war er so ehrlich gewesen!

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