Autogenes Training
mit den in diesem Lehrbereich üblichen Experimenten.
Wenig später führte ihn ein Studienjahr an die Universität Breslau, wo er – beeindruckt von dessen Arbeit – sechs Monate in der Klinik des Psychiaters Karl Bonhoeffer ein Praktikum absolvierte. In diese Zeit fallen auch Schultz’ erste Erfahrungen mit der ärztlichen Hypnose – ein Verfahren, dem er noch lange treu bleiben sollte. Seine Vorliebe für diese Methode wuchs gegen Ende des Studiums noch weiter und erweiterte sich auf die Lehre der Gesamten Psychiatrie und Psychotherapie der damaligen Zeit.
• Die ersten Lehrjahre
Zurück in Göttingen, machte Schultz sein Examen, ehe er nach Breslau zurückkehrte, wo er seine ersten ärztlichen Erfahrungen sammeln konnte. Die Arbeit an der dortigen medizinischen Poliklinik gab ihm ausreichend Gelegenheit, sämtliche internistischen Krankheiten ebenso kennen zu lernen wie immer wiederkehrende Notfallsituationen. Zugleich gewann er Einblick in die große Häufigkeit rein funktioneller, nervös bedingter Störungen des menschlichen Körpers und deren Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden.
Schultz’ weitere Ausbildung war gekennzeichnet durch häufige Ortswechsel. Auf diese Weise war es ihm möglich, sich mit dem gesamten Spektrum der Medizin seiner Zeit auseinander zu setzen. Seine Vorliebe für Psychiatrie – und insbesondere für Psychotherapie – setzte sich jedoch zunehmend durch. Schließlich trat er an der Universität Jena in die Klinik für Psychiatrie als Assistent ein. Hier intensivierte er seine wissenschaftlichen Tätigkeiten, so dass er sich zu Beginn des Krieges – obwohl bereits zur Wehrmacht eingerückt – in Jena habilitieren konnte.
• Die Anfänge des Autogenen Trainings
In den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen beschäftigte sich Johannes Heinrich Schultz immer intensiver mit dem Autogenen Training und der Entwicklung der Psychotherapie als einer wissenschaftlichen Methode. Schultz war einer der Mitbegründer der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie (AÄGP), die 1926 ins Leben gerufen wurde. An der Entwicklung dieser Gesellschaft und dem fruchtbaren, zum Teil aber auch kontroversen Austausch der verschiedenen psychotherapeutischen Schulen nahm Schultz bis zu seinem Tode 1970 immer wieder regen Anteil.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ er sich in Berlin in eigener Praxis als Nervenarzt nieder. Neben der therapeutischen Tätigkeit war er in den Nachkriegsjahren zunehmend als Redner und Vermittler »seines Autogenen Trainings« gefragt. In diesem Zusammenhang fand er nationale und internationale Anerkennung.
• Wissenschaftliche grundlagen
Die naturwissenschaftlich-experimentelle Herangehensweise an psychotherapeutische Fragen unterschied Schultz von vielen Protagonisten der psychotherapeutischen Entwicklungen in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts. Es war für ihn selbstverständlich, auch in der Psychotherapie Einzelbeobachtungen einer empirischen, experimentellen Forschung zu unterziehen und Erfahrungen intersubjektiv verifizierbar zu machen – wie man es in dieser Zeit vor allem aus den Naturwissenschaften kannte. Spätestens in diesen Jah ren hatte ihn seine frühe Begeisterung für die Naturwissenschaften, die er bereits als Schüler in Göttingen hegte, wieder eingeholt. In diesem Sinne notierte er bereits 1921 »… so ist in der Psychotherapie trotz fast überzahlreicher geistvollster Spekulationen noch sehr viel unbearbeitet und von kritisch-methodologisch einwandfreier Arbeit noch mancher Aufschluss zu erwarten«.
Er selbst hielt sich – im Gegensatz zu zahlreichen zeitgenössischen Kollegen – geradezu penibel an diese wissenschaftlichen Grundsätze. So gelang es ihm zwar bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg, bestimmte immer wieder berichtete Phänomene während der Hypnose zu erkennen und zur Grundlage der Selbsthypnose des Autogenen Trainings zu nutzen. Dennoch dauerte es nochmals mehr als zehn Jahre, bis er sein Verfahren in der ersten Auflage seines Buches »Das Autogene Training« (1932) veröffentlichte. Die dazwischen liegende Dekade war geprägt von intensiven Experimenten, Beobachtungen und systematischen Einzel- und Gruppenbehandlungen mit Autogenem Training. Unter Ausnutzung aller damals verfügbaren physiologischen Methoden, wie zum Beispiel der exakten Temperaturmessung an Hand und Fingern mittels eines Messgerätes der Firma Carl Zeiss, gelang es ihm schließlich mit Herbert Binswanger, einem seiner
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