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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Gartenstadt
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sitzen. Außerdem höre ich hier die Klingel nicht. Deshalb setze ich mich wieder auf das Sofa und schaue nach draußen auf den Sonnenfleck.
    Ich bekomme Hunger und esse die Schweineschnitzel von gestern mit Brot. Die würden ihm sowieso nicht schmecken. Er ist glaube ich Vegetarier. Ich hätte ihm zu Mittag den Kartoffelsalat angeboten. Ich überlege mir, was ich sagen soll, wenn er klingelt. Vielleicht »Short Message Sex ist ein heißes Hobby – und ich dachte schon, wir machen das jetzt die nächsten Jahre. Was bin ich froh, dass du wirklich gekommen bist.« Oder »Herzlichen Glückwunsch, du hast es geschafft.« Oder einfach nur »Komm rein!«, und dabei zeige ich lachend zwischen meine Beine.
     
    Nachmittag.
    Es ist 15 Uhr. Ich werde unruhig. DIE WELTZEIT und das WELTZEITjournal habe ich komplett durch, jetzt wird mir langweilig. Ich gehe raus und bringe die Gartentonne zur Straße. Dann fege ich den Bürgersteig und schaue immer wieder die Straße rauf. Da kommt ein Mann in Shorts. Unter den Bäumen sehe ich nur die Beine. Aber das ist er nicht. Enttäuscht gehe ich wieder rein. Wenn er heute nicht kommt, wird er dann niemals kommen? Heißt das, dass er heute noch überlegte, sich dann aber gegen mich entschieden hat? Dann denke ich wieder, was es für eine seltsame Art von ihm ist, nur über SMS zu kommunizieren. Das ist ja wie mit Rauchzeichen. Wieso ruft er nicht einfach mal an, um sich mit mir zu unterhalten? Wie ernst soll man überhaupt einen Kontakt nehmen, der sich nur als Gesimse abspielt? Es war so schön, sieben Stunden lang zu glauben, dass er jeden Moment kommen könnte. Jetzt möchte ich es aber doch wissen, da ich sonst oben die Etage putzen werde.
     
    SMS an ihn
    15:45, 20 Mai
     
    Wie geht es Dir? Ich dachte, Du kommst mich heute besuchen?
     
    SMS an mich
    16:21, 20 Mai
     
    ich bin eingeschlafen, bin noch viel zu schwach..
     
    SMS an ihn
    16:26, 20 Mai
     
    Ach, das tut mir so leid. Ich hätte heute so gerne mit Dir den Tag verbracht. Es ist so schön hier im Garten. Du bist herzlich eingeladen, mich zu besuchen, wenn es Dir besser geht.
     
    Als ich das schreibe, muss ich fast weinen. Ich gehe nach oben, sauge und wienere den Holzboden.
     
    Abend.
    Ich freue mich wahnsinnig, als ich am Fenster stehe und Leon die Einfahrt hochlaufen sehe. Flora hinterher. Beide haben einen roten Luftballon am Handgelenk, und ich mache sofort ein Foto.
     
    Montag, 21. Mai 2012
    Morgen.
    Im Kindergarten fällt mein Blick auf zwei Weinbergschnecken. Ineinander verschlungen und inniglich vereint.
     
    Mittag.
    Beim Mittagessen tut Flora so, als ob sie ihre Nase abreißt. »Tue ich Salz rauf. Mama, HAMM.«
    »NEE, Flora, ich bin doch schon satt.«
    Dann tut sie so, als würde sie ihre Nase auf den Boden schmeißen. »Los, Mama, muttu aufheben.«
    Ja, denke ich, soweit kommt es noch, dass ich mich nach virtuellen Dingen bücke. Dabei frage ich mich allen Ernstes, inwieweit Marc mich hier an der Nase herumführt. Ob das alles stimmt mit der Krankheit. Ob ich später mal eine Mutter treffe, die mir zufällig erzählt: »ACH, mit der Masche hat der dich auch rangekriegt?« Manchmal denke ich auch an diesen Wetterfrosch, wie hieß der doch gleich? Der hatte doch auch einer seiner diversen Geliebten von Krebstherapien erzählt und hat alldieweil eine andere geheiratet und zwei Kinder gezeugt... Darum: Holzauge, sei wachsam! Nach wie vor sollte ich mir sagen, dass ich mich nicht auf jemanden emotional einlassen darf, der mir seinen Nachnamen nicht gesagt hat. Eher wollte ich ihn auch gar nicht zu mir einladen.
    Meine Aktivität lasse ich jetzt lieber wieder ruhen und warte einfach ab. Jetzt ist er wieder am Zug.
     
    Nachmittag.
    Im Rosenbeet entdecke ich zwei Marienkäfer. Aneinanderhaftend. Alle tun es, nur ich nicht.
     
    Dienstag, 22. Mai 2012
    Morgen.
    Seltsam, dass er nicht anruft. Ist er krank und wohnt bei seinen Eltern? Wären ihm dann diese Telefonate peinlich? Oder ist er doch liiert und alles nur ein Spiel für ihn? Ich frage mich auch, wie er mich so sieht. Wirke ich auch rätselhaft, in gewisser Weise schrullig? Wie stellt er sich mein Leben vor? Ob er sich auch Gedanken über mich macht? Wieso ich beispielsweise mit den Kindern alleine lebe?
    Mal angenommen, alles stimmt, was er mir bisher über sich erzählt hat, dann hat er diese Autoimmunerkrankung und eine chronische Erkältung. Momentan hat er seit zwei Wochen eine Lungenentzündung und hat allergisch auf das erste Antibiotikum reagiert.

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