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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Gartenstadt
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schlafen?«, fragt er, während er sich immer noch einen runterholt. Er steht da, mit seiner Hand in der Hose, den Gürtel längst wieder zu, das Hemd vorne offen und muss sich beeilen, seine Bahn zu bekommen.
    »Wie kommst du eigentlich auf die Idee«, schimpfe ich los, »dass ich nicht mir dir schlafen möchte? Ich liege hier nackt vor dir. Wenn ich nicht meine Tage hätte, und wenn du es gerade nicht so eilig hättest, die letzte Bahn zu bekommen, hätte ich bestimmt mit dir geschlafen.« Deutliche Worte sind vielleicht der direkte Weg ins Gehirn eines Mannes. Aber »Ja« hätte es vielleicht auch getan.
    Sein Gesichtsausdruck wechselt von erregt, zu erschrocken, zu belustigt. Er lacht.
    »Was für eine absurde Situation.« Wir lachen beide.
     
    Lieber Marc, mittlerweile habe ich doch noch Hoffnung, dass Du irgendwann mal diese Zeilen liest und Dich über das, was ich hier über unsere Begegnungen schreibe, köstlich amüsierst.
     
    Wir ziehen uns an. Er sagt: »Berufliches und Privates sollten wir aber trennen.«
    »Ich kann nächste Woche auch vormittags«, sage ich.
    »NEE, ich bin in Köln.« Komisch. Ich biete ihm ein nächstes Treffen an, aber er weicht aus.
    »Wie spät ist es eigentlich?« Er zeigt auf das Hygrometer an der Wand, das von einer Stehlampe beleuchtet wird. Die beiden Zeiger stehen zufällig auf 0:50 Uhr. Es ist so spät wie feucht.
    »Nein, das ist keine Uhr, das ist ein Hygrometer, das misst nur die Luftfeuchtigkeit.«
    Er will sich die Hände waschen, und ich zeige ihm das Gästebad, in dem ich im Januar abendelang Walkman hörend rumtanzte, in der Hoffnung, er möge sich bald mal melden.
    Ich wasche mir die Hände, und er öffnet seine, damit ich ihm mit dem Seifenspender – ein kleines Aquarium – die Seife in die Hände drücke. Dann wäscht er sich die Hände. Er wäscht sich die Hände und hört gar nicht mehr auf. Ich warte im Flur. Er wird noch seine Bahn verpassen. Nach einiger Zeit gehe ich wieder zu ihm. Neben dem Waschbecken ist ein Becher, den ich mit Rosenblättern aus dem Garten gefüllt hatte. Diesen Sommer blühten zwei Rosen, eine helle und eine dunkle. Als er im Mai da war, hatte ich sie ihm gezeigt und gesagt, dass sie blühen werden, obwohl ich sie so radikal runtergeschnitten hatte. Sie haben geblüht. Und als ich die Blätter aufsammelte und zum trocken in eine Schale auf den Tisch legte, habe ich an ihn gedacht und daran, dass er den Sommer nicht an meiner Seite war. Mit mir nicht den Garten und die Rosen genossen hat. Wenn ich diese trocknenden Blätter sah, musste ich manchmal weinen. Ich hatte sie dann ins Gästebad in den Becher gelegt. Meine Sommertränen. Meine traurigen Orgasmen ohne ihn. Ich greife ins Glas.
    »Hier, nimm.« Spontan stecke ich ihm die Rosenblätter in die linke Hemdtasche. Erst weicht er erschrocken zurück, aber dann lässt er sie sich doch noch zustecken. Als Beweis, dass er hier gewesen ist. Denn das wird er sich morgen und die darauf folgenden Tage bestimmt fragen.
    »Das ist so romantisch!«, sage ich und lache dabei ganz laut und falsch, wie im Mai, als er mir sagte, er würde nicht wiederkommen. Dabei streiche ich ihm mit der rechten Hand über beide Pobacken, um meine Worte zu unterstreichen.
    Im Flur warte ich auf ihn, bis er mit Händewaschen fertig ist. Jemand, der so lange und so gründlich seine Hände wäscht, muss ernsthaft Angst um seine Gesundheit haben.
    »Kannst du mal bitte den Wasserhahn ausdrehen, ich weiß nicht, wie das geht.« AHA. Das lange Waschen wäre ja sinnlos, wenn er jetzt wieder den bakteriellen Wasserhahn anfassen würde. Lächelnd drehe ich ihn aus. Vielleicht gebe ich ihm das nächste Mal das Desinfektionsspray.
    Er zieht seine Schuhe an. Es ist für mich so komisch, einem Mann zuzusehen, der bei mir hier im Flur seine Schuhe anzieht. Ich starre ungläubig vor mich hin. Ich kann noch nicht begreifen, was heute alles passiert ist.
    »Was starrst du so?«
    »ACH nichts.«
    Mit großen Augen schaue ich ihn fragend an. Es ist immer komisch sich zu verabschieden, ohne ein neues Treffen zu verabreden.
    »Tschüss, ich muss jetzt los.« Er umarmt mich mit einer Hand und schaut mich suchend an, als wüsste er im Moment nicht, wohin er mich küssen soll. Er küsst mir auf die Stirn. Ich denke an seine Mutter, von der er sich heute Morgen vielleicht auch so verabschiedet hat.
    »Wenn ich die Bahn verpasse, komme ich zurück.« Weg ist er.
    Heißt das jetzt, dass er nur wiederkommt, wenn er die Bahn verpasst?
    ♫

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