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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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seiner schwindenden Gestalt durch ein ödes Land endlos nachjagte und ihn doch nie einholte. Sie schlang die Arme um den Hund, suchte Trost in seiner Wärme und kraulte die krätzigen Stellen hinter seinen Ohren. Selbst unter bittersten Tränen ließ sie die Erinnerung an die Freude, die Prasutagos an seinen Bauvorhaben gehabt hatte, lächeln.
    Die Römer kamen kurz nach Mittag. Bei Tagesanbruch hatten sich dicke Wolken zusammengebraut, sie löschten das Sonnenlicht aus Boudiccas Traum. In diesem gräulichen Licht hatten die Umhänge der Soldaten die Farbe von altem Blut; sogar ihre Rüstungen hatten einen matten, dumpfen Glanz. Pollio führte sie an. Bogle, der die Römer nicht mochte, vollführte ein Mordsgebell. Sie hieß Crispus, den Hund hinter dem Haus anzuleinen, setzte ein finsteres Lächeln auf und reichte Pollio den Becher mit dem Willkommensbier. Falls er dachte, sie wäre ohne ihren Gemahl nun weich und schwach, dann sollte er sich wundern. Sie würde mit den Römern abrechnen, und die Untergebenen, die für all diese Gräueltaten verantwortlich waren, würden dafür büßen.
    »Junius Pollio, salve!«
    Das Zucken um seine Lippen, mit dem er ihren Gruß erwiderte, hatte mit einem Lächeln nicht viel gemein, aber sein langes Gesicht wirkte ohnehin stets verdüstert. Seine dunklen Augen suchten ihren Blick, wie immer, wenn er ihr begegnete, als hoffe er, dass sich ihre Gefühle für ihn geändert hätten. Als Pollio nach dem Becher griff, machte sein Pferd einen plötzlichen Ruck, sodass er ihm durch die Finger glitt und auf den Boden knallte. Boudicca sah das dunkle Nass in der Erde versickern, brauchte einen Atemzug, bis sie sich wieder gefasst hatte, und brachte sogar ein Lächeln hervor.
    »Das macht nichts – komm mit ins Ratsgebäude, und ich gebe dir einen neuen Becher voll.«
    »Wo sind denn deine Krieger alle?«, fragte er, als er ihr dorthin folgte.
    »Die reiten durchs Land, suchen nach Beweisen für römische Untaten …« Sie nahm Platz auf dem großen Stuhl vor dem Feuerherd, dessen warmrotes Licht blasser wurde, je weiter es durch das offene Haus nach oben reichte. Pollio blickte sich unsicher um, während er auf dem niedrigeren Stuhl neben ihr Platz nahm. Die Raumhöhe, von der Feuerstelle bis zum kegelförmigen Spitzdach, entsprach in etwa vier ausgewachsenen Männern. Es gab keine Marmorsäulen oder Bronzestatuen, aber Bildnisse, die auf Wandbehänge eingestickt waren und die sich im flackernden Licht des Feuers zu bewegen schienen. Ein römisches Gebäude stellte die Macht des Besitzers zur Schau; das von Prasutagos hingegen verbarg sein Mysterium.
    »Rufe sie, Boudicca«, sagte er mit leiser Stimme. »Du kannst nichts mehr tun.«
    »Was meinst du?«, erwiderte sie barsch. »Es ist meine Pflicht, mein Volk zu schützen. Ich bin Königin der Icener und Klientelkönigin des Kaisers.«
    »Nein. Das bist du nicht. Rom schließt keine Verträge mit Königinnen.«
    Lange starrte sie ihn einfach nur an. »Aber Cartimandua …«
    »… ist rechtmäßige Königin durch den Eid ihres Gemahls, auch wenn er Aufstände anführt. Dein Gemahl aber ist tot.«
    Diese Worte trafen sie wie ein Dolchstoß mitten ins Herz, wo sie gerade wieder neuen Lebensmut gefasst hatte. Es gelang ihr mittlerweile, sich stundenlang mit anderen Dingen von ihrem Leid abzulenken, bis ein unvorsichtiges Wort die noch glimmenden Flammen der Trauer erneut hochschlagen ließen – wie ein toter Ast, den man in die Kohlen warf.
    »Prasutagos war ein Verbündeter Roms«, sagte sie schließlich. »Ein Teil seines Eigentums, das deine Männer gerade beschlagnahmen, hat er in seinem Letzten Willen seinen Töchtern vermacht. Ihr müsst es also zurückgeben.«
    »Der Letzte Wille heißt gar nichts. Prasutagos war kein Bürger Roms.«
    Boudicca schüttelte ungläubig den Kopf. »Wer sagt das? Feldherr Paulinus?«
    »Der Prokurator. Decianus Catus sagt das«, antwortete Pollio ebenso tonlos. »Das Bündnis und das Königreich sind mit Prasutagos gestorben. Es ist vorbei, Boudicca …«
    Wie eigenartig, dachte sie benommen. Er klingt, als flehe er mich an …
    »Dieses Gebäude – alles hier – gehört Rom …«
    Boudicca schoss auf, und auch Pollio erhob sich, streckte die Hand nach ihr aus.
    »Boudicca!« Seine Stimme zitterte. »Ich habe dich geliebt, vom ersten Augenblick an! Schon einmal habe ich dir meinen Schutz angeboten, aber du hast mich zurückgewiesen. Jetzt will ich ihn dir erneut bieten. Und ich weiß, dass dich das nicht

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