Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
dies?«
»Ich schwöre dies bei den Göttern unseres Volkes.« Sie schluckte, während die Luft um sie herum immer energiegeladener schien. Bei den Göttern zu schwören war nichts Besonderes, das war so üblich. Doch nie zuvor war sie sich so gewiss, dass sie auch zuhörten. »Ich schwöre bei Epona, der Herrin der Pferde, bei Brigantia, der Herrin des Feuers, und bei Cathubodva, der Herrin der Raben. Ich schwöre bei Lugos, dem Vielseitigen Gott, bei Taranis, dem Gott des Drehenden Rades, und bei Dagdevos, dem Gütigen Gott.« Unsichtbare Zeugen scharten sich um sie, und sie fühlte die feinen Härchen auf ihren Armen sich aufrichten.
Sie holte tief Luft und fuhr fort: »Ich schwöre bei den Seelen meiner Vorfahren, und wenn ich diesen Schwur breche, möge der Himmel auf mich niederstürzen, möge die Erde sich unter mir öffnen, möge das Meer mich überspülen.«
Der Druide verharrte eine Weile, als wolle er abwarten, bis der Schwur die Jenseitige Welt erreicht hatte.
»Und was soll dich an diesen Schwur binden, Herrin der Icener?«, fragte er dann.
»Mein Herzblut gebe ich als Unterpfand«, antwortete sie, zog ihren Dolch und fuhr mit einem schnellen Schnitt über die fleischige Kuppe unterhalb ihres Daumens. Sie streckte die Hand von sich, sodass das Blut in einen Erdspalt tropfte, den man in die grüne Grasnarbe gegraben hatte, welche den Ring des Erdwalls bedeckte. Sie blinzelte, da die Öffnung zu flirren schien vor Energie.
»Ich gebe mein Blut in diese heilige Erde, die für das ganze Land steht, so wie ich mich in euren Dienst gebe, die ihr da Zeugen seid, im Namen des Volkes, das hier lebt. Und sollte es nötig sein, dann gebe ich auch mein Leben.« So wie die Mutter Erde ihre Saaten gibt, um das Korn wachsen zu lassen, dachte sie im Stillen und erinnerte sich an ihr Ernteritual.
Nun wandte sich der Druide an die anderen. »Euch zu dienen, dazu hat sich eure Königin durch diesen Schwur verpflichtet; ihr treu ergeben zu sein, dazu sollt auch ihr euch nun verpflichten und schwören, euer Korn an sie zu geben, eure Krieger in ihr Gefolge zu stellen und ihren Befehlen stets gehorsam zu sein. Schwört ihr das?«
»Wir schwören es! Wir schwören es! Wir schwören es!«, tönte es einhellig von allen Seiten.
»Für unseren Glauben und unser Volk bringen wir dies Opfer dar. Sehet wohlgefällig auf uns herab, oh, ihr heiligen Götter.« Helves Stimme schallte klar und deutlich durch die nebelhafte Dunkelheit, obgleich ihre Gestalt kaum erkennbar war. Die ganze Nacht lang hatte es immer wieder geregnet, und obwohl irgendwo gerade die Sonne aufging, schien das Feuer der Druiden das einzige Licht der Welt.
Lhiannon kauerte sich in ihren wollenen Umhang, lauschte dem Husten und Schniefen der Leute ringsum. Bete, dass das stürmische Wetter anhält, Helve!, dachte sie erbittert. Vielleicht hält uns das die Römer vom Leib …
Beim letzten Mal, als die Könige ihr Opfer hier dargebracht hatten, war der Tag bei schönem Wetter erwacht, hatte aber unter einem schlechten Stern gestanden. Heute schwammen keine Möwen im Wasser. Vielleicht war es diesmal ja umgekehrt, und der graue Himmel war ein gutes Omen.
Sie hätte weinen können, als sie zusah, wie nacheinander all die Schätze im Teich versenkt wurden – Schwerter mit funkelnden Klingen, scharfe Speerspitzen und bronzene Schilde. Auch ein wunderschönes bronzenes Carynx aus Eriu, große Kessel und die Sicheln, mit denen sie sonst Mistelzweige schnitten, Halsringe und Ketten aus Eisen, die einst für Gefangene verwendet wurden – alles wanderte nacheinander ins Wasser. Kleinere Schmuckstücke flackerten noch im Schein des Feuers, bevor sie dann in die dunklen Tiefen sanken. Die Stimmung war genauso bedrückt wie damals.
Alle, die sich stark genug fühlten, diese Reise zu machen, waren dem mit Opfergaben voll beladenen Wagen gefolgt. Die Alten hatte man mit Schiffen fortgebracht, und diejenigen, die zu gebrechlich waren, um zu reisen, hatte man auf der ganzen Insel auf Gehöfte verteilt, wo sie als Großmütter und alte Onkel ausgegeben werden konnten, falls die Römer kamen. Zurück blieben rund drei Dutzend Priester und Priesterinnen, die nun mit unangezündeten Fackeln in den Händen am Rand des Schwarzen Teiches standen.
Von ihrem Platz aus auf der westlichen Seite des Teiches sah Lhiannon über die dunklen Wasser hinüber zu Ardanos. Am südlichen Ende stand Helve und ihr gegenüber Cunitor. Helve war immer das Feuer, das mein Wasser zum Kochen
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