Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
brachte , dachte Lhiannon. Kein Wunder, dass wir uns nie gut verstanden haben .
Ardanos entzündete seine Fackel, gab die Flamme weiter an den Mann neben ihm, der sie wiederum weitergab an die Priesterin neben sich und so weiter, bis der ganze Teich umkreist war von den Lichtern der Fackeln. Auf dem Wasser tanzten kleine Feuerfunken, als ob die Geister des Teiches in das Ritual einstimmten. Lhiannon lief es kalt über den Rücken, als die Druiden ihre Fackeln in den Boden steckten. Vielleicht schenkten ihnen die Götter schließlich doch Gehör.
Bei Erde und Wasser, bei Luft und Feuer
Finden wir uns ein im Bittkreis.
Zwischen Nacht und Tag,
Zwischen den Welten
Finden wir den Weg!
Während die Stimmen im Gesang verschmolzen, fühlte Lhiannon die inneren Tore aufgehen, die sie hineinführten in die Trance. Sie wusste, die magischen Kräfte hatten begonnen, sich zu entfalten.
Unser Opfer sei den Göttern Speise,
Unser Blut vergießen wir darin -
Cathubodva, wir rufen dir zu,
Die römischen Krieger sollen scheitern!
Nacheinander traten die Priester und Priesterinnen vor, zogen ein Messer über die fleischige Kuppe unterhalb ihres Daumens und ließen das Blut in den Teich tropfen. Diese Neuerung im Ablauf des Rituals hatte Helve eingeführt – sie hatte bestimmt, dass fortan weder Pferde noch Bullen noch Hasen geopfert wurden, sondern das eigene Blut in den Strom der Energien fließen sollte.
Ihre Waffen schwächen wir, ihre Waffen brechen wir,
Ihr Mut gefriert, ihre Stärke zerfällt!
Und bis der Tag erwacht,
Taumeln sie, kehren um, ergreifen die Flucht!
Unablässig erklangen die Gesänge. Lhiannon schien es, als bilde sich Nebel über dem Wasser, so wie man es oft über den kalten Wassern eines Teiches sieht, wenn die Luft sich bei Tagesanbruch zu erwärmen beginnt – doch diese dampfigen Dunstschwaden pulsierten in einer vom Feuer erhellten Dunkelheit. Sie streckte die Arme nach beiden Seiten aus, als die Energie durch den Kreis wogte, fühlte Helves Inbrunst und Cunitors treu ergebene Stärke, und auf der anderen Seite des Teiches nahm Ardanos die Schwingung auf und wiegte sich auf der Welle ihrer Liebe.
Der Kreis stand dicht geschlossen, und die geballte Energie stieg aufwärts. Rings um den Teich erwachte der Tag, doch über dem Teich hing finsteres Dunkel – wie eine Wolke mit schwarzen Flügeln.
»Soll die Angst sie gefrieren und das Feuer sie verbrennen!«, schrie Helve.
»Sollen sie alles, was sie erbaut haben, zerstört sehen!«, rief Lhiannon.
»Morrigan, Große Königin, jage sie fort!«, tönte Cunitor.
»Cathubodva, fahre ostwärts, bringe den Tod über unsere Feinde!« Ardanos breitete die Arme aus, und das wabernde Dunkel zog geradewegs auf ihn zu. Er nahm es entgegen, schloss die Arme, drehte sich um, öffnete die Arme, gab es frei, ließ es nach Osten fliegen, hinein in die Morgendämmerung.
Und als die Wolke an Lhiannon vorüberzog, nahm sie einen Laut wahr, einen Laut jenseits des bewussten Hörens, in dem der Schrei eines Raben wie auch das Lachen einer Frau erklang.
DREIUNDZWANZIG
Wie war sie nur auf die Idee gekommen, dass sie Prasutagos in Dunford weniger vermissen würde?
Boudicca blinzelte ein paar Tränen aus den Augen, als sie das schlagende Klopfen hörte, das die letzten Pfähle einer Reihe in den Boden hämmerte. Zwei Wochen war es jetzt her, dass ihr Gemahl auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war, und noch immer schoss ihr aus heiterem Himmel irgendetwas in den Sinn, das sie ihm unbedingt erzählen wollte, bis ihr im nächsten Augenblick aufs Schmerzlichste bewusst wurde, dass er ja gar nicht mehr da war. Und hier in Dunford, wo sie ihn stets gesund und stark erlebt hatte, war alles nur noch schlimmer. Gewiss würde er jeden Augenblick durch das Tor kommen, mit Stolz seine großartige bauliche Errungenschaft betrachten und sie herbeirufen, um das Werk gemeinsam zu bewundern.
Nie zuvor hatte ein keltischer König ein solches Bauwerk in Angriff genommen, das stand fest. Die rechteckige Wehranlage war so groß wie vier Hurley-Spielfelder nebeneinander, Wall und Graben umschlossen zwei neue Rundhäuser, die neben dem zweistöckigen Ratsgebäude errichtet worden waren, das er kurz zuvor gebaut hatte. Doch der Pfahlwald, der die ganze Anlage umringte, machte den Ort einzigartig. Neun Reihen aus Baumstämmen sowie ein weiterer Wall und ein weiterer Graben umgaben die Anlage, vergrößerten sie um das Doppelte. Sie wünschte, sie hätten lebende Bäume
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