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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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über Caillean, betete sie. Wenn ich nicht nach Eriu zurückkehren kann, dann behüte du sie, lass sie frei sein! Am liebsten hätte sie sich mitten ins Gefecht gestürzt, um ihrem Leben ein schnelles Ende zu bereiten – wenn das Kind nicht gewesen wäre.
    Als sie am Ufer entlang geflohen war, hatte sie mit angesehen, wie Cunitor niedergestreckt und Brenna fortgeschleift wurde. Dass Ardanos noch am Leben war, kam ihr völlig unwahrscheinlich vor. So viele Männer und Frauen, die sie kannte, waren tot, und auch wenn sie den ein oder anderen nicht mochte, Achtung gebührte ihnen im Tode allemal. Sie fühlte sich schuldig, weil sie überlebt hatte, doch darüber konnte sie später noch grübeln – sofern sie den nächsten Morgen überhaupt erleben würde.
    Da hörte sie das Trampeln genagelter Sandalen und lateinisches Stimmengemurmel, und sie verharrte, blieb mucksmäuschenstill. Ich bin die Nacht … ich bin der Schatten …, dachte sie, verlangsamte ihre Atmung, kämpfte, um ihre Seele zu besänftigen. Hier seht ihr nichts – zieht weiter …
    Und mit einem Mal hörte sie, wie zwei Paar Füße immer näher kamen, ein gleichmäßiges Flüstern und ein dumpfes Schlagen, das sie nicht zuordnen konnte. Immer näher kamen die Geräusche. Durch die Grashalme erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf ein metallenes Schimmern, das sie gerade noch rechtzeitig als die Spitze eines Speers erkannte, der im nächsten Atemzug haarscharf an ihrem Kopf vorbeischoss.
    Bei aller druidischen Selbstbeherrschung – ein erleichtertes Keuchen konnte sie nicht zurückhalten. Einer der Römer fluchte, drehte sich um, und im nächsten Augenblick sprang ein Hase aus der Hecke, suchte mit langen Sätzen das Weite. Der andere lachte, und die beiden zogen weiter.
    Heilige Andraste!, dachte Lhiannon, da sie an die Göttin und das Totem von Boudiccas Sippe denken musste. Wenn ich das hier überlebe, dann schulde ich dir eine Opfergabe!
    Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie es wagte, sich zu rühren. Als sie schließlich den Kopf hob, war das Feuer in Oakhalls fast niedergebrannt. Doch etwas weiter östlich flammten neue Feuer auf. Und alle Zuversicht sank, als sie begriff, dass sie den Heiligen Hain in Brand gesteckt hatten. Der Anblick der brennenden Bäume versetzte ihr einen Stich mitten ins Herz, einen Schmerz, den sie bislang nicht zugelassen hatte. Sie weinte leise vor sich hin, sah den Flammen zu und wartete auf den Morgen.
    Die Asche in Colonia schwelte noch. Dann und wann krachte ein verkohlter Dachbalken nieder, oder ein letzter Tropfen Öl entfachte irgendwo neue Flammen. Fast zwanzig Jahre hatte es gebraucht, um diese einstige Hügelfestung der Trinovanten in eine geschmacklose Nachbildung Roms zu wandeln. Die Britannier hatten sie in nur zwei Tagen in Schutt und Asche gelegt. Colonia Victricensis, die Siegreiche, machte ihrem Namen keine Ehre mehr. Nur ein letztes Symbol der römischen Kaiserherrschaft stand noch, ein letztes Zeugnis der anmaßenden Selbstüberhebung der römischen Eroberer – der Tempel des vergötterten Claudius. Umgeben von Schutt und Asche ragte er empor, die steinernen Säulen erglühten im Lichtschein der Fackeln.
    Boudicca sinnierte über Götter und Menschen und war überzeugt, dass die Götter die Menschen als Medium nutzten, dass jeder menschlichen Seele ein göttlicher Funken innewohnte – und sie spürte, wie die Göttin, die derzeit in ihrer Seele wohnte, ihren Gedanken erheitert lauschte. Doch sollte man dem Gott huldigen, nicht dem Menschen. Aus Ahnen mochten Gottheiten werden – wie die, an deren Gräbern ihr Volk bis heute Opfergaben niederlegte –, aber das dauerte seine Zeit. Natürlich konnten auch die Römer dem vergötterten Claudius ihre Ehre erweisen, ihm ein Grab und einen Tempel errichten, aber dann bitte schön in seinem eigenen Land. Ihn hier anzubeten und zu verehren war eine Beleidigung ihres Volkes und Götterlästerung obendrein.
    Das Gebäude war unbeschädigt, bis auf ein paar Schrammen an der mächtigen Bronzetür, an der die Geschosse abgeprallt waren. Wenn sie sich innerlich frei von Vorurteilen machte, dann konnte Boudicca sogar die anmutige Schönheit in der baulichen Ebenmäßigkeit würdigen. Prasutagos hätte wahrscheinlich geweint beim Gedanken, das Bauwerk zu zerstören – und sie war einmal mehr froh, dass er das nicht mehr erleben musste. Ihr selbst tat es nicht im Mindesten leid darum. Es galt, die dicken Mauern zu durchbrechen, hinter denen sich halb Colonia

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