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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Hände über die Ohren legte und den Kopf schüttelte. »So kannst du nicht durchs Leben gehen, mein Kind – stell dir vor, du wärest hinter einem Schleier, durch den nur die Geräusche dringen können, die du auch hören möchtest.«
    Kurz schloss Boudicca die Augen, und der Lärm flaute mit einem Mal ab – welche Wohltat! Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie auch den Grund dafür. Ihr Vater war aus dem Zelt gekommen, um sie in Empfang zu nehmen, gefolgt von ihrer Mutter, die mit trippelnden Schritten wie immer alle Mühe hatte, ihm nachzukommen. Er sah noch verdrossener aus, als sie ihn in Erinnerung hatte, und er war sichtlich ergraut. Auch das Haar ihrer Mutter hatte einen silbrigen Schimmer bekommen. Wann waren die beiden bloß so gealtert?
    »Endlich bist du wieder da. Du hast dir ja ewig Zeit gelassen …« Er musterte seine Tochter von Kopf bis Fuß, verzog aber keine Miene.
    Boudicca biss sich auf die Lippen. Immerhin hatten sie die Zeit, die sie in Avalon verloren hatten, wieder aufgeholt, indem sie einen Teil der Reise mit dem Schiff zurückgelegt hatten. Aber Leucu brummte etwas von Umwegen, um den Römern auszuweichen, und sie entspannte sich wieder.
    »Halb so wild«, sagte Dubrac schließlich. »Komm, ruh dich erst mal aus. Das hast du dir verdient. Immerhin hast du sie wohlbehalten hergebracht …« Dann wandte er sich an seine Frau. »Wasch sie und zieh ihr etwas Ordentliches an, Ana. Bis zum Abendessen mit den Prinzen muss sie nach etwas aussehen.« Er kehrte sich ab.
    »Gehe ich auf ein Fest oder auf einen Viehmarkt?«, maulte Boudicca, als sie sich schwungvoll über die Seite vom Rücken ihres Pferdes gleiten ließ. Sie warf einen Hilfe suchenden Blick auf Lhiannon, doch die lächelte nur milde.
    Und schon lief ihre Mutter auf sie zu, umarmte sie, trat einen Schritt zurück, sah sie an und umarmte sie noch einmal.
    »Oh, mein Liebling; wie groß du geworden bist! Und braun wie eine Beere bist du, mein Kind. Oder ist das Dreck von der Reise? Ach, ganz egal – ich habe dich so sehr vermisst! Und heute habe ich von dir geträumt.«
    Ich nicht von dir, dachte Boudicca mit einem bohrenden Schuldgefühl. Aber es tat unheimlich gut, derart begluckt zu werden, als wäre sie noch immer ein kleines achtjähriges Mädchen und keine achtzehn, zumal ihre Mutter auch gar keine erwidernden Worte zu erwarten schien.
    »Und dir, meine Liebe, danke ich von Herzen für deine Fürsorge.« Ana wandte sich an Lhiannon, die inzwischen ebenfalls vom Pferd gestiegen war und ihr Haupt in Andeutung einer Verbeugung flüchtig neigte. Das blaue Gewand der Priesterin war nur ein klein wenig verschmutzt, ansonsten aber schien sie von den Strapazen der Reise unberührt.
    Als ob sie einen druidischen Zauber angewendet hätte, der allen Staub und Dreck nur auf mich lenkte!, wunderte Boudicca sich verärgert, wie schon so oft.
    »Meine Frauen haben ein Zelt für dich hergerichtet«, sagte ihre Mutter und zeigte in Richtung der Zelte, von wo gerade eine Dienstmagd herbeigeeilt kam. »Was auch immer du für dein Wohlergehen brauchst, du musst nur fragen …«
    Kaum gesagt, zog sie Lhiannon mit in eines der Zelte – eine geräumige Behausung mit Wänden aus Rohrgeflecht, über die eine Decke aus geölter Wolle gespannt war –, und Boudicca blieb kaum Zeit, sich kurz zu verabschieden. Seufzend ließ sie Ana gewähren, die ihr Haferkekse und Minztee reichte, ihr über Haar und Haut strich und es überaus wichtig damit hatte, was sie heute Abend anziehen sollte. Ja, genau so war es immer gewesen, seit sie ein kleines Mädchen war, erinnerte sie sich. Während ihr Vater sich um die Ausbildung jedes einzelnen Sohnes gekümmert hatte, hatte sich Anas ganze mütterliche Fürsorge auf diese eine überlebende Tochter gerichtet, welche sich ihrerseits stets als besserer Junge als all ihre Brüder beweisen wollte. Aber Boudicca wusste inzwischen – und das hatte sie unter anderem während ihrer Zeit bei den Druiden gelernt –, dass es mehr als nur einen Weg gab, eine Frau zu sein, und auch mehr als nur einen, eine Frau mit Macht zu sein.
    Lhiannon, die Boudicca ihrem Schicksal überlassen hatte, machte sich auf die Suche nach Ardanos. Nachdem sie sich unauffällig durchgefragt hatte, kam sie zu einer Gruppe von Zelten, über der die Wildschweinfahne der südlichen Icener flatterte.
    Und da saß er, die Beine überkreuzt, und schnitzte – sie hielt inne, um den freudigen Anblick zu genießen, ihn einfach nur dasitzen zu sehen,

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