Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Nadel und Faden sich durch ihren Körper zu bohren oder durch das Land. Sie verband Erde und Himmel, ihr Blut und ihren Körper… Zeichen folgte auf Zeichen, Symbol auf Symbol, alle benetzt mit ihrem Blut und dem Wasser der Heiligen Quelle. Drei Tage lang arbeitete Morgaine. Sie schlief kaum, aß nur ein paar getrocknete Früchte und trank nur das Wasser der Heiligen Quelle. Es gab Zeiten, in denen sie aus großer Entfernung mit ihrem inneren Auge auf ihre Finger zu blicken schien, die sich beinahe ohne ihren Willen bewegten. Die Zaubersprüche woben sich von selbst: Blut und Gebeine des Landes, das Blut ihrer Jungfräulichkeit und die Kraft des Königshirsches, der gestorben war und sein Blut vergossen hatte, damit der Sieger nicht sterben sollte…
Bei Sonnenuntergang des dritten Tages war das Werk vollbracht. Ineinanderverwobene Zeichen, von denen sie manche nicht einmal kannte und die gewiß aus den Händen der Göttin in ihre Finger geflossen waren, überzogen die Scheide des Schwertes wie ein dichtes Netz. Morgaine nahm sie hoch, ließ das Eisen hineingleiten, wog es in ihren Händen und brach das magische Schweigen mit den lauten Worten: »Es ist vollbracht.«
Die lange Spannung löste sich in ihr, und sie merkte, wie erschöpft und schwach sie war. Das Ritual und zu viele Visionen hatten sicher ihren Teil daran und zweifellos auch ihre Tage unterbrochen, die üblicherweise bei Neumond kamen. Man hielt das allgemein für günstig, denn in dieser Zeit trennten sich die Priesterinnen, um ihre Macht zu schützen, und es entsprach der rituellen Abgeschiedenheit zur Zeit des dunklen Mondes, wenn die Göttin sich selbst zurückzog, um die Quelle ihrer Macht zu beschirmen.
Viviane kam und nahm die Scheide entgegen. Sie konnte einen leisen Ausruf des Erstaunens nicht unterdrücken. Selbst Morgaine, die wußte, daß es die Arbeit ihrer Hände war, kam es vor, als sei das Futteral kein Menschenwerk, sondern durchtränkt von Zauber und Magie. Viviane berührte sie nur kurz und hüllte sie dann in ein großes Seidentuch.
»Das hast du gut gemacht«, lobte die Herrin. Morgaine durchzuckte der Gedanke:
Weshalb glaubt sie, sich ein Urteil erlauben zu können? Auch ich bin eine Priesterin und ihren Lehren entwachsen…,
und sie war über sich selbst entsetzt.
Viviane streichelte ihr liebevoll die Wange. »Geh schlafen, meine Liebe. Die schwere Arbeit hat dich sicher erschöpft.« Morgaine schlief tief und lange, ohne zu träumen. Aber nach Mitternacht weckte wilder Lärm sie auf – Sturmglocken, Sturmglocken, Kirchenglocken… das Entsetzen der Kindheit.
Die Sachsen greifen an! Steht auf und wappnet euch!
Morgaine schreckte hoch und schien nicht im Haus der Jungfrauen zu sein, sondern in einer Kirche. Auf dem Altarstein häuften sich Waffen, und daneben lag aufgebahrt ein Mann in seiner Rüstung unter einem Leichentuch. Über ihr dröhnten und lärmten die Glocken so gewaltig, daß sie hätten Tote aufwecken können… aber der tote Ritter rührte sich nicht, und mit der Bitte um Vergebung griff sie plötzlich nach dem Schwert… Dann wachte sie auf und fand sich in ihrer stillen Kammer. Nicht einmal die Glocken von der anderen Insel durchbrachen die Stille. Sie hatte das Geläut und den toten Ritter geträumt, die Kirche mit den brennenden Wachsstöcken, die Waffen auf dem Altar, das Schwert, alles…
Wieso habe ich das gesehen? Das Gesicht kommt nie ungerufen über mich… war es denn doch nur ein Traum?
Später am Tag wurde Morgaine gerufen. Ganz klar erinnerte sie sich an einige der Visionen, die ihr bei der Arbeit an der Scheide und mit dem Schwert vor sich oft nur undeutlich durch den Kopf gezogen waren: Mit einem Donnerschlag fiel ein blendender, heißer Strahl Licht wie ein Sternenstreif zur Erde… noch rauchend wurde er davongeschleppt und von den kleinen dunklen Schmieden, die in den Kreidehügeln hausten, ehe die Ringsteine aufgerichtet wurden, zur Waffe eines Königs geformt… zerbrochen und wieder neu geschmiedet, diesmal zur blattförmigen langen Klinge… in Feuer und Blut gehärtet und gehämmert…
ein dreimal geschmiedetes Schwert, das dem Leib der Erde noch nie entrissen wurde und somit doppelt heilig ist…
Man hatte ihr den Namen des Schwerts gesagt:
Excalibur, der schneidende Stahl.
Schwerter aus dem Eisen der gefallenen Steine waren selten und kostbar. Excalibur mochte ein ganzes Königreich wert sein.
Viviane bat sie, sich zu verschleiern und ihr zu folgen. Langsam gingen beide den Hügel
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