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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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dienen.«
    Morgaine versuchte, nicht zu vergessen, daß sie nur ein Gefäß der Macht und nicht die Macht selber war. Die Macht kam von der Göttin. Aber sie war noch jung genug, um sich über die Auszeichnung zu freuen, als man sie schweigend an die geheime Stätte brachte, wo die Arbeit durchzuführen war. Priesterinnen umgaben sie, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen mußten, damit sie das Schweigen nicht brach, in dem die Macht entstand, die für das Binden der Zaubersprüche notwendig war. Man legte das Schwert auf einem Leinentuch vor sie hin. Daneben stand der flache Kelch aus Silber mit dem goldenen Rand. Er war mit dem Wasser aus der Heiligen Quelle gefüllt – nicht, um daraus zu trinken, denn Speisen und Wasser standen für sie bereit, sondern damit sie hineinblicken und darin Dinge sehen konnte, die sie für ihre Arbeit brauchte. Am ersten Tag schnitt sie ein Futteral aus dünnem Hirschkalbleder und benutzte dazu das Schwert. Zum ersten Mal arbeitete Morgaine mit feinem Handwerkszeug. Sie freute sich über die besondere Eisennadel, die man ihr gegeben hatte, um das Futteral zusammenzunähen.
    Mit beinahe kindlichem Stolz unterdrückte sie selbst den leisesten Aufschrei, als sie sich ein- oder zweimal damit in den Finger stach. Als man ihr den kostbaren tiefroten Samt zeigte, der mit Farben gefärbt war, von denen eine Unze mehr kostete als man brauchte, um ein Landhaus zu kaufen und Männer zu bezahlen, die ein Jahr lang die umliegenden Felder bestellten – man hatte ihr das einmal erzählt –, hielt sie vor Entzücken den Atem an. Sie würde das Hirschleder mit dem Samt beziehen, und darauf mußte sie mit goldenen und silbernen Fäden die magischen Sprüche und ihre Zeichen sticken.
    Morgaine verbrachte den ersten Tag damit, das Futteral zu nähen und mit dem Samt zu beziehen. Ehe sie sich schlafen legte, schnitt sie sich, ganz versunken in Gedanken an ihre Aufgabe, in den Arm und ließ einen Blutstropfen auf das Hirschleder fallen.
O Göttin! Großer Rabe! Blut ist auf dieser Scheide vergossen worden, damit kein Blut darauf fallen muß, wenn sie in der Schlacht am Gürtel des Befreiers hängt.
    Morgaine schlief unruhig. Im Traum saß sie auf einem hohen Hügel, von dem man ganz Britannien überblicken konnte, und stickte Zaubersprüche. Sie webte den Zauber wie sichtbares Licht in das Geschling der Erde. Unter ihr rannte der Königshirsch. Ein Mann kam mit großen Schritten den Hügel herauf und nahm das Schwert aus ihren Händen…
    Sie fuhr aus dem Schlaf hoch und dachte:
Artus! Artus wird dieses Schwert tragen. Er ist der Sohn des Pendragon…,
lag in der Dunkelheit und dachte:
Deshalb hat Viviane mir die Aufgabe übertragen, die magische Scheide für das Schwert zu fertigen, das er als Zeichen seiner Herrschaft über das ganze Land tragen soll.
Artus hatte das Blut ihrer Jungfräulichkeit vergossen, und sie entstammte ebenfalls dem heiligen Geschlecht von Avalon. Deshalb mußte
sie
die Zauberscheide fertigen, die über seine Sicherheit wachte und das königliche Blut beschützte.
    Morgaine arbeitete den ganzen Tag in tiefem Schweigen. Sie blickte in den Kelch, ließ die Bilder aufsteigen, wartete hin und wieder auf eine neue Eingebung im selbstversunkenen Fließen ihrer Bilder. Sie stickte den gehörnten Mond, damit die Göttin für immer über das Schwert wachen und das heilige Blut schützen sollte. Das magische Schweigen hüllte sie so vollkommen ein, daß jeder Gegenstand, den ihr Blick traf, jede Bewegung ihrer geweihten Hände dem Zauber Macht verlieh.
    Manchmal schienen ihre Finger Lichtspuren zu hinterlassen, während sie dem gehörnten Mond zunächst den Vollmond und dann den dunklen Mond folgen ließ. Denn alles hatte in der richtigen Reihenfolge zu geschehen. Da sie wußte, daß der Großkönig von Britannien über ein zum Christentum bekehrtes Land herrschte, und weil die ersten Anhänger Christi, die nach Britannien kamen, bei den Druiden Schutz gefunden hatten, arbeitete sie die friedlich vereinten Zeichen von Mönchen und Druiden in den Samt – das Kreuz im dreiflügligen Kreis. Auf dem roten Stoff erschienen die Zeichen der magischen Elemente – Erde, Luft, Wasser und Feuer. Ihnen folgte der flache Kelch, der vor ihr stand, in dem Erscheinungen aufstiegen und ineinanderflossen, aus der Dunkelheit auftauchten und wieder in ihr verschwanden: Speer und irdene Schale, die heilende Schlange, die Schwingen der Weisheit und das flammende Schwert der Macht… manchmal schienen

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