Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
blauen tätowierten Schlangen. Er war ein Eingeweihter von der Dracheninsel!
Sicher hatte Gwenhwyfar nur im Spaß davon gesprochen, sie solle den alten Uriens heiraten… Aber Accolon… er war ein richtiger Mann, von Lancelot abgesehen, vielleicht der bestaussehende Ritter auf dem ganzen Platz. Morgaine bewunderte seinen Umgang mit den Waffen. Er war muskulös und bewegte sich mit der natürlichen Anmut eines Mannes, für den der Turnierplatz ein Spielfeld war, da er von Kindesbeinen an sich im Gebrauch der Waffen übte. Früher oder später würde sie Artus verheiraten wollen… würde sie ablehnen, wenn er ihr Accolon als Gemahl vorschlug? Nach einer Weile begann ihre Aufmerksamkeit nachzulassen. Die meisten anderen Frauen hatten schon lange das Interesse an den Kämpfen verloren und unterhielten sich über die Heldentaten der verschiedenen Ritter.
Andere würfelten auf ihren Tribünenplätzen, um sich die Zeit zu vertreiben. Nur wenige beobachteten lebhaft das Geschehen, denn sie hatten auf den Sieg ihrer Ehemänner, Brüder oder Geliebten Bänder, Nadeln oder kleinere Münzen gesetzt.
»Es lohnt sich kaum zu wetten«, sagte eine unzufrieden. »Wir wissen alle, daß Lancelot der Sieger des Tages sein wird… er ist es immer.«
»Wollt Ihr sagen, er kämpft unritterlich?« fragte Elaine gereizt. Aber die Fremde entgegnete: »Nein, keineswegs. Aber er sollte bei diesen Wettkämpfen Zuschauer sein. Mit ihm kann sich doch keiner messen.«
Morgaine lachte. »Ich habe gesehen, wie der junge Gareth, Gawains Bruder, ihn kopfüber in den Dreck warf«, sagte sie. »Und er verübeltete es ihm nicht. Aber wenn Ihr wollt, ich wette mit Euch um ein rotes Seidenband, daß Accolon trotz Lancelot diesmal einen Preis gewinnt.«
»Angenommen«, sagte die Frau. Morgaine erhob sich und sagte: »Ich finde keinen Geschmack daran zuzusehen, wie Männer sich zum Zeitvertreib gegenseitig fast die Köpfe einschlagen… es hat genug Kämpfe gegeben. Ich kann den Lärm nicht mehr hören.« Sie nickte Gwenhwyfar zu. »Schwester, erlaubt, daß ich in die Halle zurückgehe und mich davon überzeuge, daß alles für das Mahl bereitet ist.«
Gwenhwyfar nickte zustimmend, und Morgaine drängte sich durch die Sitzreihen und ging hinter der Tribüne zum großen Burghof zurück. Die Burgtore standen weit offen und wurden von ein paar Männern bewacht, die nicht am Turnier teilnehmen wollten. Morgaine näherte sich bereits der Burg; doch ohne zu wissen weshalb, drehte sie sich wieder um und ging zu den Toren zurück. Dort blieb Morgaine stehen und beobachtete zwei hastig Heranreitende, die den Beginn des Festes versäumt hatten. Aber als sie sich dem Hof näherten, begann ihre Haut in einer Vorahnung zu prickeln. Plötzlich rannte sie ihnen weinend entgegen.
»Viviane«, rief sie und blieb plötzlich stehen, da sie nicht wagte, sich ihrer Tante in die Arme zu werfen. Statt dessen kniete sie im Staub nieder und senkte den Kopf. Die sanfte, vertraute Stimme klang unverändert wie in ihren Träumen: »Morgaine, mein liebes Kind, du bist es! Wie habe ich mich in all den Jahren danach gesehnt, dich wiederzusehen. Steh auf, liebe Morgaine, du mußt nicht vor mir knien.«
Morgaine hob den Kopf, aber sie zitterte zu sehr, um aufstehen zu können. Viviane, in graue Schleier gehüllt, beugte sich über sie, streckte die Hand aus, und Morgaine küßte sie. Dann zog die Herrin von Avalon sie hoch und drückte sie fest an sich. »Es ist so lange her, Liebste«, sagte sie. Morgaine kämpfte hilflos gegen die Tränen an. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht«, fuhr Viviane fort und ließ ihre Hand nicht los, während sie zusammen auf die Burg zugingen. »Von Zeit zu Zeit habe ich dich flüchtig im Teich gesehen … aber ich bin alt und kann das Gesicht nur noch selten rufen. Doch ich wußte, daß du am Leben und nicht bei der Geburt gestorben bist oder weit über dem Meer warst… ich sehnte mich so danach, dein Gesicht wiederzusehen, Kleines.« Sie sprach so zärtlich, als habe es nie diesen Streit zwischen ihnen gegeben.
Morgaine spürte wieder übermächtig die alte Zuneigung. »Alle sind beim Turnier. Morgauses jüngster Sohn wurde heute morgen zum Ritter geschlagen und in die Tafelrunde aufgenommen«, berichtete sie. »Ich glaube, ich muß gewußt haben, daß Ihr kommt…« Sie erinnerte sich an die flüchtige Erscheinung gestern nacht. Ja, sie
hatte
es gewußt. »Weshalb seid Ihr gekommen, Mutter?«
»Ich dachte, du weißt, daß Artus Avalon
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