Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Worten überfielen. Aber in diesem Augenblick hielt sie es nur für ihre Furcht, für das bange Gefühl:
Bin ich wirklich würdig, nach Avalon zurückzukehren?
Sie gingen zusammen in die Große Halle zum Pfingstmahl.
So habe ich Camelot noch nie gesehen,
dachte Morgaine,
und werde es vielleicht auch nie mehr erblicken!
Die große prachtvolle Runde Tafel, das Hochzeitsgeschenk des Leodegranz, stand jetzt in einem angemessenen würdigen Raum. Die Wände schmückten Banner und seidene Gehänge. Durch eine umsichtige Anordnung wurde erreicht, daß sich aller Augen auf Artus' Platz richteten, auf den hohen Thron an einem Ende der Halle. An diesem Tag saß Gareth neben ihm und seiner Königin. Um sie scharten sich alle Ritter und Gefährten. Die Männer trugen ihre besten Gewänder und schimmernde Waffen, die Damen waren so bunt und herrlich geschmückt wie Blumen. Nacheinander traten die Könige vor den Thron, knieten vor Artus nieder und überbrachten ihm Geschenke. Morgaine betrachtete nachdenklich des Großkönigs feierliches, ernstes und freundliches Gesicht. Sie warf Viviane einen Blick zu – sie mußte doch bemerken, daß Artus ein guter König geworden war, den selbst Avalon oder die Druiden nicht so leicht verurteilen konnten.
Aber wer bin ich denn,
dachte Morgaine,
um in diesem Streit zwischen Avalon und Artus zu richten?
Sie spürte wieder die alte Unruhe, wie damals, als man sie in Avalon lehrte, ihren Geist dem Gesicht zu öffnen, das sie als Werkzeug benutzen würde. Ohne zu begreifen weshalb, wünschte sie plötzlich:
Wäre doch Viviane hundert Meilen weg von hier!
Ihr Blick schweifte über die Gefährten des Königs… Gawain, blond und stark wie eine Dogge an der Seite seines Bruders, der heute zum Ritter geschlagen worden war; Gareth strahlte und glänzte wie frisch geprägtes Gold; Lancelot, dunkel und schön, wirkte, als sei er mit seinen Gedanken am anderen Ende der Welt; der grauhaarige, freundliche Pellinore wurde von seiner Tochter Elaine umsorgt… Gerade trat jemand vor den Thron, der nicht zu den Gefährten gehörte. Morgaine kannte den Mann nicht, aber sie sah, wie Gwenhwyfar zusammenzuckte.
»Ich bin der einzig lebende Sohn von König Leodegranz«, erklärte der Mann, »und der Bruder Eurer Königin, Artus. Ich fordere, daß Ihr meinen Anspruch auf das Sommerland anerkennt!«
Artus antwortete mild: »Ihr stellt an diesem Hof keine Forderungen, Meleagrant. Ich werde mit meiner Königin über Eure Bitte beraten, und vielleicht werde ich meine Zustimmung geben, daß sie Euch
als ihren Regenten einsetzt. Aber heute kann ich Euch die Entscheidung nicht mitteilen.«
»Vielleicht werde ich gar nicht solange warten«, rief Meleagrant aus, ein großer, breitschultriger Mann. Er war nicht nur mit Schwert und Dolch gekommen, sondern auch mit einer gewaltigen bronzenen Streitaxt. Er trug schlecht gegerbte Felle und Häute am Leib und wirkte so wild und barbarisch wie ein räuberischer Sachse. Seine beiden Waffenträger sahen noch schrecklicher aus als er.
»Ich bin der einzige Sohn des Leodegranz!« Gwenhwyfar beugte sich flüsternd zu Artus hinüber. Der König sagte: »Meine Herrin erklärt, ihr Vater habe Euch nie als seinen Sohn anerkannt. Ihr könnt sicher sein, wir werden die Angelegenheit bedenken. Wenn Euer Anspruch wahr ist, werden wir ihm stattgeben. Im Augenblick, edler Meleagrant, bitte ich Euch, meiner Gerechtigkeit zu vertrauen und mit mir beim Mahl zu sitzen. Wir werden mit unseren Ratgebern Eure Bitte beraten und so gerecht wie möglich entscheiden.«
»Das Mahl kann mir gestohlen bleiben!« erwiderte Meleagrant wütend. »Ich bin nicht hierhergekommen, um mich mit Süßigkeiten vollzustopfen oder an Damen satt zu sehen und zuzuschauen, wie erwachsene Männer wie Kinder herumalbern. Ich sage Euch, Artus, ich bin König des Sommerlandes, und wenn Ihr wagt, meinen Anspruch in Zweifel zu ziehen, wird es zu Eurem Schaden sein… und dem Eurer Königin!«
Er umfaßte den Griff seiner Streitaxt. Doch Cai und Gareth waren sofort an seiner Seite und hielten ihm die Arme auf dem Rücken fest.
»In der Halle des Königs wird nach keiner Waffe gegriffen«, erklärte Cai böse. Gareth entwand dem Streitsüchtigen die Axt und stellte sie neben Artus' Thron. »Geht auf Euren Platz, Mann, und eßt Euren Teller leer. An der Tafel herrscht geziemende Ordnung. Wenn unser König gesagt hat, er wird Euch Gerechtigkeit widerfahren lassen, dann wartet gefälligst, bis er seinen Spruch fällt.«
Sie
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