Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
rieb sich die Augen. »Als du ein kleines Mädchen warst, habe ich dich damit geneckt. Erinnerst du dich? Ich nannte dich Morgaine, die Fee, und es machte dich immer wütend.« Sie nickte.
»Ich weiß es noch gut, Vetter«, sagte Morgaine. Trotz der Erschöpfung, die sein Gesicht zeichnete, der Falten und dem ersten Grau in seinen dichten Locken erschien Lancelot ihr schöner, als jeder andere
Mann, den sie kannte. Und sie liebte ihn. Heftig schloß sie die Augen. So war es, und so mußte es wohl sein: Er liebte sie als seine Base und nicht mehr!
Und wieder schienen sich dichte Schatten vor die wirkliche Welt zu schieben. Sie konnte es nicht verhindern. Diese Welt aber war nicht wirklicher als das Feenreich. Selbst die Musik schien nur schwach und von weit her zu kommen… Gawain hatte die Harfe genommen und sang ein Lied, das er einst bei den Sachsen gehört hatte: Ein Ungeheuer hauste auf dem Grund eines Sees. Dann schwamm ein Held hinunter und riß ihm einen Arm ab. Als der Mutige sich umwandte, stand er der Mutter des Ungeheuers gegenüber, mitten in der Höhle des Bösen…
»Eine grausame und schreckliche Geschichte«, sagte Morgaine leise zu Lancelot. Jener entgegnete lächelnd: »Das sind die meisten Geschichten der Sachsen… es geht immer um Krieg und Blutvergießen, um kampferprobte Helden mit wenig Verstand in ihren dicken Schädeln…«
»Und wie es scheint, müssen wir jetzt mit ihnen in Frieden leben«, sagte Morgaine.
»Ja, so ist es. Mit den Sachsen kann ich leben, aber nicht mit dem, was sie als Musik bezeichnen… obwohl, ich glaube, ihre Geschichten sind für einen langen Abend am Herd unterhaltsam genug.«
Er seufzte und sagte beinahe unhörbar: »Doch ich fürchte, ich bin nicht dazu geschaffen, still am Herd zu sitzen…«
»Würdest du lieber wieder in die Schlacht ziehen, Lancelot?« Er schüttelte den Kopf.
»Nein, aber ich habe genug vom Leben auf Camelot.« Morgaine sah, wie seine Augen zu Gwenhwyfar wanderten, die lächelnd neben Artus saß und Gawains Geschichte anhörte. Wieder seufzte der Ritter, und dieser Klageton schien sich den dunkelsten Tiefen seiner Seele zu entringen.
»Lancelot«, sagte Morgaine ruhig, aber nachdrücklich, »du mußt weg von hier oder du nimmst Schaden!«
»Gewiß, an Leib und Seele«, erwiderte er und starrte auf den Fußboden.
»Über deine Seele weiß ich nichts… danach mußt du einen Priester fragen…«
»Wenn ich das nur könnte!« erwiderte Lancelot mit kaum unterdrückter Heftigkeit und schlug leicht mit der Faust auf den Boden. »Könnte ich doch nur glauben, daß es einen solchen Gott gibt, wie die Christen immer behaupten…«
»Du
mußt
gehen, Vetter. Du brauchst eine Aufgabe wie Gareth. Erschlage Räuber, die das Land ausplündern, töte Drachen oder was du willst, aber du mußt gehen!«
Sie sah, wie er schluckte. »Und was ist mit
ihr?«
Morgaine erwiderte ruhig: »Selbst wenn du es nicht glaubst, ich bin ihre Freundin. Glaubst du nicht auch, daß auch sie eine Seele hat, die gerettet werden muß?«
»Ein Priester könnte mir keinen besseren Rat geben«, sagte der Ritter und lächelte bitter.
»Man muß nicht Priester sein, um zu sehen, daß zwei Männer… und eine Frau… dem Schicksal ins Netz gegangen sind und dem, was geschehen ist, nicht entfliehen können«, sagte Morgaine. »Es wäre nicht schwer, ihr allein die Schuld zu geben. Aber auch ich weiß, was es heißt zu lieben, wo keine Liebe möglich ist…« Sie schwieg und wandte sich ab, denn sie spürte, wie brennende Röte ihr ins Gesicht stieg; soviel hatte sie nicht sagen wollen…
Das Lied war zu Ende. Gawain stellte die Harfe mit den Worten beiseite: »Nach dieser schaurigen Geschichte brauchen wir etwas Fröhliches… ein Liebeslied vielleicht. Doch das überlasse ich lieber unserem Lancelot…«
»Ich war zu lange hier am Hof und bin der Liebeslieder überdrüssig«, entgegnete Lancelot, stand auf und wendete sich an König Artus.
»Nachdem Ihr wieder zurück seid und selbst nach dem Rechten sehen könnt, bitte ich Euch, mich mit einer Aufgabe zu betrauen.« Artus lächelte seinem Freund zu. »Willst du uns so schnell verlassen? Ich kann dich nicht halten, wenn es dich davontreibt. Aber wohin willst du gehen?«
Pellinore und sein Drache.
Morgaine starrte angestrengt auf den Boden, formte im Geist die Worte und versuchte, sie dem Bruder einzugeben. Lancelot erwiderte: »Ich hatte vor, einen Drachen zu jagen…«
Artus' Augen blitzten belustigt auf: »Dann
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