Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Berührung weckte in ihr wildes Verlangen und Leidenschaft… Ihre Finger fielen von den Saiten, sie träumte… ein verschwimmendes Gesicht, der junge Mann lächelte ihr zu… nein, es war nicht Lancelot, es war ein anderer… nein, alles war nur ein Schattengebilde… Sie hörte Gwenhwyfars helle Stimme.
»So helft doch Lady Morgaine«, rief sie. »Meine Schwester ist ohnmächtig geworden!« Sie spürte, wie Lancelots kräftige Arme sie stützten und blickte nach oben in seine dunklen Augen – sie hatten die gleiche Farbe wie die des Jünglings in ihrem Traum. Das Verlangen
durchströmte sie, ließ sie fast vergehen… nein, das hatte sie doch nur geträumt. Nichts war geschehen. Verwirrt fuhr sich Morgaine mit der Hand über die Stirn.
»Es ist der Rauch… der Rauch des Feuers…«
»Hier, trink das«, Lancelot hielt ihr einen Becher an die Lippen. Welch ein Wahnsinn! Der Ritter hatte sie kaum berührt, und das Verlangen nach ihm brachte sie wieder an den Rand der Raserei. Sie dachte, sie habe es längst vergessen, dieses Feuer sei im Laufe der Jahre erloschen… und doch weckten seine sanften und helfenden Arme heftige Leidenschaft von neuem. Hatte sie also doch von ihm geträumt?
Er will mich nicht! Er will nur eine Frau, und das ist die Königin!
Morgaine starrte an ihm vorbei in den Kamin. Jetzt im Sommer brannte kein Feuer darin. Man hatte einen Lorbeerkranz in die Feuerstelle gelegt, damit sie nicht so schwarz und häßlich aussah. Sie trank den Wein in kleinen Schlucken aus dem Becher, den Lancelot ihr an die Lippen hielt.
»Es tut mir leid… ich fühle mich den ganzen Tag schon schwach«, sagte sie und erinnerte sich dabei wieder an den Morgen. »Vielleicht kann ein anderer die Harfe spielen…«
Lancelot sagte: »Mit Eurer Erlaubnis, mein König, werde ich singen!« Er nahm die Harfe und erklärte: »Dies ist eine Geschichte aus Avalon, die ich in meiner Kindheit gehört habe. Ich glaube, Taliesin hat sie selbst verfaßt. Aber möglicherweise ist es auch ein viel älteres Lied.«
Lancelot sang die Ballade von der Königin Arianrhod, die über einen Bach gesprungen war und davon schwanger wurde. Sie verfluchte ihren Sohn bei der Geburt und sagte, nie würde er einen Namen tragen, bis sie ihm einen gebe. Durch eine List brachte der Sohn die Mutter dazu, ihn beim Namen zu nennen. Und da verfluchte sie ihn wieder und sagte, er würde nie eine Frau haben, weder aus Fleisch und Blut, noch eine Frau aus dem Feenvolk. Da machte sich der Sohn eine Frau aus Blumen…
Noch immer in ihrem Traum gefangen, lauschte Morgaine dem Ritter. In Lancelots Gesicht schien sie schreckliche Qualen zu erkennen.
Und als er von der Blumenfrau Blodeuwedd sang, ruhten seine Augen auf der Königin. Elaine aber sah er an, als er die schönen goldenen Lilienhaare besang, ihre Wangen, die wie Apfelblüten waren, und ihre blauen, scharlachroten und gelben Gewänder, die wie Sommerblumen auf der Wiese leuchteten… Morgaine stützte den schmerzenden Kopf in die Hand und saß ruhig auf ihrem Platz. Später zog Gawain eine Flöte hervor und spielte eine wilde Klage, erfüllt von Trauer und den Schreien der Seevögel. Lancelot setzte sich neben Morgaine und ergriff sanft ihre Hand. »Geht es dir jetzt besser, Base?«
»O ja… es ist nicht das erste Mal«, antwortete Morgaine. »Ich schien in einem Traum zu versinken und sah alles schattenhaft…«
Aber ganz so war es doch nicht,
dachte sie.
»Meine Mutter erzählte mir einmal etwas Ähnliches«, sagte Lancelot. Und erkannte Morgaine daran, wie weh ihm ums Herz sein mußte. Noch nie zuvor hatte er mit ihr oder mit einem anderen Menschen über Viviane oder über die Jahre in Avalon gesprochen. »Sie glaubte, es sei eine Folge des Gesichts. Einmal, so erzählte sie, war ihr, als würde sie in das Feenland entführt und blicke von dort wie eine Gefangene nach draußen. Aber ich weiß nicht, ob sie je im Feenland weilte, oder ob es sich nur um eine Redensart handelte…«
Aber ich war dort,
dachte Morgaine,
und ganz so ist es nicht. .. nicht ganz… es ist, als versuche man nach einem entschwundenen Traum zu greifen…
»Ich kenne das auch«, sprach Lancelot weiter. »Manchmal kann ich nicht deutlich sehen. Es ist, als sei alles weit entfernt, nicht wirklich und doch wieder nah… und als könne ich die Dinge dennoch nicht berühren. Es scheint, als muß ich erst einen weiten Weg zurücklegen … vielleicht ist es das Feenblut, das in uns beiden fließt…« Er seufzte tief und
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