Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
herabstoßen…«
»Und ich furchte, sie müßten feststellen, daß du ein zu großer und zu zäher Happen für sie bist, Schwester«, entgegnete Morgaine gutgelaunt.
Die Wächter öffneten die schweren Burgtore für den Einzug des Königs. Ectorius hinkte immer noch nach der Nacht, die er gefesselt in der Kälte im Freien verbringen mußte. Aber er ging mit Cai Artus entgegen. Als Burgvogt verneigte sich Cai vor dem König.
»Willkommen zu Hause, mein Herr und Gebieter.« Artus saß ab und umarmte Cai.
»Das ist eine sehr förmliche Begrüßung im eigenen Haus, alter Bursche… ist hier auch alles wie es sein soll, Cai?«
»Jetzt ist wieder alles, wie es sein soll, mein Gebieter«, antwortete Ectorius. »Aber Ihr habt einen Grund mehr, Eurem Reiterobersten dankbar zu sein.«
»Das ist wahr«, stimmte Gwenhwyfar zu und trat vor. Sie hielt Lancelot an der Hand. »Mein Herr und König, Lancelot errettete mich aus einer Falle, die Verräter gestellt haben, und bewahrte mich vor einem schlimmen Schicksal, das keine christliche Frau ertragen könnte.«
Artus ergriff die Hand der Königin und die Hand seines Freundes. »Ich bin dir wie immer sehr dankbar, mein Freund, und dir, meine Gemahlin, ebenfalls. Kommt, wir wollen darüber sprechen, wenn wir alleine sind.«
Er ging zwischen beiden die Stufen zur Burg hinauf. »Welche Lügen werden die beiden ihm wohl jetzt erzählen, die sittsame Königin und ihr höchst edler Ritter?«
Morgaine hörte die Worte leise, aber sehr deutlich aus der Menge. Doch sie konnte nicht feststellen, von wem sie kamen, und dachte:
Vielleicht ist der Frieden doch kein ungetrübter Segen. Ohne Krieg haben sie am Hof nichts Rechtes zu tun, wenn sie nicht kämpfen können. Jetzt stürzen sie sich begierig auf jedes Gerücht, das Abwechslung bringt. Aber wenn Lancelot den Hof verläßt, werden sich die Wogen des Klatsches glätten…
Morgaine beschloß, sofort alles zu tun, was in ihren Kräften stand, um das zu erreichen.
Abends an der Tafel bat Artus seine Schwester, die Harfe zu holen und zu singen. »Es scheint mir so lange her zu sein, seit ich dich das letzte Mal gehört habe, Morgaine«, er zog sie an sich und küßte die Schwester auf die Wange. Das hatte er schon lange nicht mehr getan.
»Ich singe gerne«, erwiderte sie. »Aber wann kommt Kevin an den Hof zurück?«
Bitteren Sinnes dachte sie an ihren Streit. Nie, niemals durfte sie ihm den Verrat an Avalon vergeben. Trotzdem – und das gegen ihren Willen – vermißte sie ihn und dachte wehmütig an die Zeit ihrer Liebe zurück.
Ich habe es satt, allein im Bett zu liegen! Das ist alles…
Das aber lenkte ihre Gedanken auf Artus und ihren Sohn in Avalon … falls Gwenhwyfar den Hof verließ, würde Artus sicher wieder heiraten. Aber im Augenblick deutete nichts daraufhin. Sollte nicht
ihr
Sohn als Thronerbe anerkannt werden, wenn Gwenhwyfar unfruchtbar blieb?
Gwydion entstammte zwei Königsgeschlechtern… dem des Pendragon und jenen aus Avalon… Igraine war tot, und der Skandal würde ihr nichts mehr anhaben.
Morgaine saß auf einem reich geschnitzten und vergoldeten Schemel neben dem Thron, und die Harfe stand vor ihr auf dem Fußboden. Artus und Gwenhwyfar saßen Hand in Hand eng beisammen. Lancelot lag an Morgaines Seite auf den Fliesen und betrachtete die Harfe. Aber hin und wieder bemerkte Morgaine, wie seine Augen zu Gwenhwyfar schweiften; das heftige Verlangen, das in ihnen lag, versetzte sie in Angst. Wie konnte er vor anderen sein Herz so offenbaren? Dann wurde ihr klar, daß nur sie allein ihm ins Herz zu blicken vermochte… in den Augen aller anderen war er ein Ritter des Hofes, der seine Königin ehrerbietig ansah und als guter Freund des Königs mit ihr lachte und scherzte.
Ihre Hände glitten über die Saiten. Und wieder schien die Welt in die Ferne zu rücken. Wieder wirkte alles sehr klein, entfernt und gleichzeitig riesig, fremd und nah. Die Gegenstände verloren alle Dimensionen; ihre Harfe war zur gleichen Zeit ein Kinderinstrument und etwas Unförmiges, Gewaltiges und Formloses, das sie unter sich zu begraben drohte. Sie saß auf einem hohen Thron und blickte durch ziehende Schatten auf einen jungen Mann mit dunklen Haaren hinunter, der auf der Stirn einen schmalen Goldreif trug. Als sie sein Gesicht sah, ergriff sie heftiges Verlangen wie ein scharfer Schmerz.
Ihre Augen trafen sich, er beugte sich vor, und plötzlich schien sie eine Hand an der zartesten Stelle ihres Körpers zu streicheln. Diese
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