Avalons böse Schwestern
alles normal. Da stand sie wieder bleich und blaß vor mir, aber sie setzte sich in Bewegung. »Wenn du den Weg nach Avalon weißt, wirst du ihn mir zeigen. Wenn nicht, werde ich dich umarmen und dich mit meiner Kraft zu Staub verbrennen.«
»Ach ja?«
»So verspreche ich es dir.«
Bisher hatte sie mein Kreuz noch nicht zu Gesicht bekommen. Das änderte sich schlagartig, als ich meine Faust öffnete und ihr die Handfläche präsentierte, auf der das Kreuz seinen Platz gefunden hatte.
Sie war mit dem Bösen eng verbündet gewesen und hatte auf den Teufel vertraut. Sie mußte auch von ihm etwas mitbekommen haben, und ich vertraute darauf, daß sie das Kreuz schockte.
Meine Rechnung ging auf.
Yodana blieb stehen. Sie riß die Arme hoch, spreizte dabei die Finger und erinnerte mich an eine schlechte Schauspielerin, die ihren Part nicht gut rüberbrachte.
»Du haßt es?«
»Ja, ich hasse es!« knirschte sie. »Du wirst es hier nicht einsetzen können, der Teufel…«, sie spie plötzlich weißen Schleim, der wie klebriger Schnee zu Boden fiel.
Ich schloß die Finger um das Kreuz. Es war verschwunden, und Yodana atmete auf.
»Dein Ritter ist lange tot. Wenn überhaupt, wirst du ihn nur als Mumie sehen, das aber hat dir der Teufel nicht gesagt. Deshalb sage ich es dir jetzt. Es wird am besten sein, wenn du aufgibst. Nichts paßt mehr, du und deine Partnerin, ihr habt alle Chancen verspielt. Sieh es endlich ein.«
»Nein, nein… das ist nicht wahr. Wir werden Avalon erreichen und glücklich sein.«
»Mit den Toten?«
»Wir werden sie sehen und…«
Ein plötzlicher, von beiden Seiten in den Gang hereinstürmender Windstoß riß ihr die nächsten Worte von den Lippen. Dieser plötzliche Umschwung konnte keine normale Ursache haben. Der Himmel hatte sich nicht verändert, es war kein Gewitter oder Unwetter aufgezogen, nur die Dämmerung hatte zugenommen.
Yodana war verunsichert. Auch ihre rothaarige Partnerin Rogetta, wie ich mit einem Blick über die Schulter feststellte. Sie war in den Gang hineingetreten und stand dicht vor Suko. Wenn es hart auf hart kam, würde er sich mit ihr abgeben, ich konnte mich um die Blonde kümmern, die auf mich nicht mehr achtete, denn in dem Gang veränderte sich einiges.
War es Leben, das zwischen die Wände zurückkehrte, oder war es der Gruß aus einer anderen Welt?
Ich hatte keine Ahnung, aber die Steine schienen plötzlich reden zu können. Zischelnde und flüsternde Laute drangen an meine Ohren.
Hunderte von Stimmen sprachen zugleich und vermischten sich mit dem Wind, der meinen Kopf durchwehte.
Er machte ihn nicht frei, sondern verschärfte mein Durcheinander. Ich konnte auf keine Stimme hören, aber ich sah, daß es auch Yodana erwischt hatte.
Es gelang ihr kaum noch, den fremden Kräften zu widerstehen.
Unsichtbare Hände zerrten an ihrer Kleidung, rissen sie herum, und sie mußte sich vorkommen wie eine mechanische Tanzpuppe, die allerdings die eigenen Bewegungen nicht kontrollieren konnte.
Sie ging nach links, stieß gegen das Mauerwerk, prallte dort ab, nahm ihren Weg nach rechts, landete wieder vor dem Hindernis und fand kaum mehr die Kraft, sich auf den Beinen zu halten.
Rogetta erging es ähnlich. Suko brauchte nur einzugreifen, auch sie hatte sich den fremden Kräften überlassen müssen, und Suko mußte nur achtgeben, daß er nicht zufällig von der Lanzenspitze erwischt wurde, die Rogetta unkontrolliert bewegte.
Die Stimmen blieben. Rogetta brach als erste zusammen. Auch der Speer als Stütze brachte ihr nicht mehr viel. Sie rutschte an der Wand entlang nach unten und blieb auf dem Boden hocken. Sie war matt und ausgelaugt, das Gesicht erschien mir um Jahre gealtert.
Yodana erging es nicht anders. Nur »besaß« sie noch die Kraft, denn sie stand auf beiden Füßen, auch wenn sie sich abstützen mußte. Ihr Gesicht war so schrecklich eingefallen und auch bleich geworden. Es näherte sich wohl dem Zustand ihres Ritters Lancelot, der in seinem Geistergrab lag.
Avalon wollte die beiden nicht, aber Avalon wollte auch uns nicht. Dies wiederum empfand ich als schmerzhaft.
Ein Wirbel tobte über unseren Köpfen. Ich zumindest kam mir vor wie der Gefangene einer fremden Kraft, und auch mein Kreuz half mir dabei nicht weiter.
Aber ich hörte die Stimme.
Die anderen Geräusche waren aus meinem Kopf verschwunden. Nur die eine Frauenstimme zählte.
»Du hast mich nicht im Stich gelassen«, flüsterte es aus dem Unsichtbaren, »du hast einen Teil des Bösen
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