AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
gewesen.
Nun blickte er in die Richtung, in die der aufgebrachte Mann wies, und zuckte mit den Schultern. Der Wachmann verrenkte sich den Hals, um zu sehen, was selbst den mächtigen Duquesne ratlos machte, und als sein Blick auf eine Gruppe älterer Herren fiel, die vor einem der Ausgänge eifrig die Köpfe zusammensteckten, konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Die Sammler - die konnte er nicht einfach davonscheuchen, die musste selbst Duquesne mit Samthandschuhen anfassen. Die meisten waren Duzfreunde des Patriarchen und der alte Mann hatte ihnen großzügig das Recht eingeräumt, während der Bauarbeiten im Zirkus zu weilen, um Kunstschätze und Kostbarkeiten zu bergen, die zum Vorschein kommen mochten.
Seit Baubeginn kroch die Schar grauhaariger, würdiger Herren ohne auf Alter, Ansehen und Stand zu achten zwischen den eindrucksvollen Trümmern herum. Sie klopften hier und gruben dort. Tauchten unter Schuttbergen tatsächlich Teile zerbrochener Statuen auf, waren sie sofort zur Stelle, befahlen, den Fundplatz abzusperren und den ganzen Hügel zu durchsuchen, in der Hoffnung auch die restlichen Teile der Skulptur zu finden. Ständig gerieten sie den Arbeitern in die Quere, einmal stockten die Bauarbeiten einen ganzen Tag lang, weil die Sammler eine Relieftafel entdeckt hatten, die auf keinen Fall unter dem Mörtel verschwinden durfte, und erst mit viel Aufwand entfernt werden musste.
Auch jetzt hatten sie sich um irgendein Ding versammelt, was ihrer Aufmerksamkeit wert schien. Sie schwatzten, nickten und fuchtelten einander mit eigensinnigen Fingern vor der Nase herum. Mit ihren dürren, schwarzbestrumpften Beinen und den vornehmen, schwarzen Schauben, die sie trotz der Hitze trugen, sahen sie aus wie eine Schar ältlicher Krähen, die um ein Stück Aas stritten ...
Der Wächter zog seinen Gürtel hoch und schnaubte verächtlich. Einmal hatte er gesehen, worum sie zankten, ein faustgroßer weißlicher Stein war es gewesen, der Kopf einer uralten Figur, älter noch als der Zirkus selbst. Es hatte sie ordentlich in Aufregung versetzt, obwohl der Wachmann an den dicht an dicht gesetzten Haarkringeln, den leeren Augenhöhlen, dem starren Grinsen und der abgeschlagenen Nase nichts besonderes hatte finden können.
Die wirklich wertvollen Funde jedoch, nach denen alle die Augen aufsperrten, die Wachleute nicht ausgenommen, die Kupfer- und Silbermünzen, die Goldstücke, Ringe und Gewandnadeln, die sich in den Ritzen der Sitzreihen und in den freigelegten Gängen fanden - diese Dinge ließen die Sammler häufig kalt. Sie warfen einen halben Blick darauf, murmelten herablassend: »Aus den letzten Regierungsjahren von Capula, davon hab ich Dutzende in meiner Sammlung«, und wandten sich gleichgültig ab.
Das hieß freilich nicht, dass der Finder seinen Schatz behalten durfte, obwohl man damit wirklich Eindruck auf die Schönen hätte machen können. Jedes Fundstück musste abgegeben werden, Duquesne ließ sowohl die Arbeiter als auch seine Wachleute kontrollieren und wehe dem Mann, der versuchte, etwas hinauszuschmuggeln. Während der Eröffnungsspiele sollte alles in der Arena versteigert werden.
Sie würden sich beeilen müssen mit ihrer Feier. Der Wachmann blinzelte zum Himmel empor. Die Sonne strahlte mit unverminderter Kraft, doch ihre Bahn wurde mit jedem Tag flacher. Gar so lange konnte es nicht mehr dauern, bis die ersten Herbststürme über die Stadt brausten. Und wie immer um diese Zeit hatte in den letzten Tagen der Boden unter ihren Füßen gegrollt. Gestern noch hatten die Teller und Becher in den Regalen seiner Stammkneipe geklirrt und die blonde Phyllis hatte sich auf seinen Schoß fallen lassen und sich in gespielter Angst kreischend an ihn geklammert.
Der Wachmann schmunzelte, als er daran dachte. Er hatte die Gelegenheit weidlich ausgenutzt, aber nach seiner Erfahrung waren die leichten Erdstöße ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Wetter über kurz oder lang umschlagen würde. Die schönen Tage gingen zu Ende.
Duquesne hockte die fortschreitende Zeit, die seinem Wachmann nur einen müßigen Gedanken wert war, wie ein Dämon im Nacken.
Bei seinem letzten Bericht im Palast hatte der Patriarch gar nicht mehr nach dem Stand der Bauarbeiten gefragt, sondern die Eröffnungsfeier einfach auf den Tag des nächsten Herbstvollmondes gelegt. Damit blieben genau zwei Wochen Zeit, die Bauarbeiten abzuschließen und alles für das Fest vorzubereiten.
Selbst für einen Mann von Duquesnes
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