AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
antwortete Jermyn freundlich und die Sammler, die neugierig näher gekommen waren, fuhren angewidert zurück. De Poccole aber hatte seine Verblüffung schnell gemeistert.
»Ah, ja, aber abgesehen davon, hast du nichts anderes dort gesehen, eine zugemauerte Öffnung oder einen Gang etwa? Nun, komm schon, ich will es mich etwas kosten lassen. Du scheinst recht geschickt im Klettern zu sein.«
Piero d’Este und einige andere hatten den Anstand, beschämt wegzublicken, aber die meisten schienen den Eifer de Poccoles zu teilen. Jermyn betrachtete sie nachdenklich.
»Ich darf meinen Lohn nennen, wenn ich noch einmal hinuntergehe?«
Der Sammler nickte eilig. »Einen angemessenen Lohn, versteht sich«, schränkte er ein, »aber ja, so soll es sein.«
»Einen angemessenen Lohn, gewiss«, wiederholte Jermyn glatt. »Lass mich noch mal runter, Freund«, rief er dem Vorarbeiter zu.
»Biste sicher, Patron?«, brummte der Mann, »ich würd nich nochmal in das Höllenloch rein!«
»Sollst du ja auch nicht. Tu, was ich sage«, befahl Jermyn und der Mann setzte die Seilwinde in Bewegung.
Unten angekommen entzündete Jermyn eine neue Fackel. Vorher hatte er kaum auf seine Umgebung geachtet, nun erkannte er, dass der Raum jenem ähnelte, in dem sie den Aufzug für den aufsehenerregenden Auftritt des Bullen bauen wollten. Nicht viel mehr als ein Gang, der sich nach beiden Seiten krümmte und nach innen durch eine dünne Zwischenwand vom nächsten Gang getrennt war. Die andere Wand bildete das mächtige Fundament der untersten Sitzreihe. Es war der äußerste Gang unter dem Bretterboden der Arena. Ninian könnte ihm wahrscheinlich sagen, warum die Alten diese Gänge angelegt hatten, sie hatte die alten Abbildungen studiert. Ihm waren sie gleichgültig gewesen, selbst als sie angefangen hatten, die Schule zu bauen. Nun wünschte er, er hätte sich mehr damit beschäftigt.
Ratlos tastete er sich an der äußeren Wand entlang. Wonach suchten diese verrückten Sammler? Nach zerbrochenen Henkeltöpfen, nach alten Münzen? Das Glitzern in den Augen de Poccoles kannte er, es wurde durch edle Metalle und kostbare Steine hervorgerufen, nicht durch Tonscherben. Doch die paar Goldmünzen, die während der Bauarbeiten zum Vorschein gekommen waren, hatten den Sammlern nur ein müdes Lächeln entlockt. Worauf waren sie scharf?
Die Flamme flackerte und ein kalter Luftzug wehte ihn von der Seite an. Er hob die Fackel höher und sah eine Öffnung, ein unregelmäßiges Loch, hastig mit einer Spitzhacke in die Wand gehauen. Es war weniger als mannshoch, er musste sich bücken, um hindurchzugelangen. So etwas hatte er auf ihrer Seite des Zirkus nicht gesehen, dort waren die unterirdischen Wände unversehrt.
Hinter dem Loch lag kein Gang, sondern eine kleine Kammer. Sie war aus den Fundamenten herausgehauen, er spürte den rohen Kalkstein unter den Fingern und unter seinen Stiefeln knirschte Geröll. In Abständen waren weitere Nischen in die Wand gegraben und dann, wieder tastete er, hatte jemand die Nischen mit Mörtel verschlossen und wieder weggehauen - was für eine widersinnige Arbeit.
Er streckte seinen Arm in eine der Nischen und ganz hinten, so weit, dass er kaum daran reichen konnte, ertasteten seine Finger einen kleinen Gegenstand. Vorsichtig, um ihn nicht außer Reichweite zu stoßen, zog er ihn hervor und betrachtete ihn im flackernden Licht der Fackel.
Es war eine kleine Blüte, so groß wie sein Daumennagel, aus Goldblech gehämmert. Ein Gürtelschmuck vielleicht, der übersehen worden war. In dieser Nische hatte ein Schatz gelegen, aus der Zeit, als die Barbaren die Stadt überfallen hatten. Das war es, was das Glitzern in den Augen der Sammler hervorrief!
Jermyn ging die Wände der Kammer ab und fand noch mehr Nischen, aber alle waren aufgebrochen und leer. Die Goldblüte blieb der einzige Fund. Obwohl er ein wenig enttäuscht war - ein Schatz wäre gerade recht bei den Kosten, die ihm diese Schule verursachte - so würde die Enttäuschung der Sammler noch viel größer sein. Er hatte wenigstens diese kleine Blüte, über die Ninian sich gewiss freuen würde.
Jermyn verließ die Kammer und bevor er zurück zu dem Seil ging, wanderte er ein Stück weiter den Gang entlang. Vielleicht gab es noch andere Kammern.
Er fand keine Kammer mehr, aber er stolperte und schlug sich die Schienbeine wund. Als er fluchend die Fackel auf den Boden richtete, strich der Schein über einen Geröllhaufen und auf eine Öffnung, die nicht
Weitere Kostenlose Bücher