AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
Schelm, der kleine Späße liebt und alle an der Nase herumführt, der Herr der Kaufleute und Diebe«, fiel Piero d’Este schmunzelnd ein, »sieht es ihm nicht ähnlich, dass ausgerechnet er sich in unserer Zeit finden lässt?« Er lachte sein dünnes Greisenlachen.
De Poccole runzelte die Stirn, als bliebe ihm der Spaß verborgen.
»Ohne Zweifel ist dies die geweihte Statue aus dem großen Tempel des Merses«, meinte er würdevoll, »seine Priester werden ihn hier im Zirkus versteckt haben, um sie vor dem Zugriff der Barbaren zu schützen. Er ist zu uns zurückgekehrt - welche Gnade! Junger Mann, Ihr habt uns einen großen Dienst erwiesen. Dieser Fund ist eine hübsche Belohnung wert.«
»Was?«, fragte Jermyn abwesend, in den Anblick des Gottes versunken. De Poccole machte eine ungeduldige Handbewegung.
»Sperrt die Ohren auf: Für die Auffindung dieser kleinen Statue werden wir Euch belohnen. Ihr wolltet doch Euren Lohn nennen. Geld oder Schmuck oder Pferde. Jünglinge lieben doch Pferde ...«
»Pferde? Was soll ich mit Pferden? Ich hasse Pferde, und wieso Geld oder Schmuck? Ich brauche keinen Lohn von Euch.«
»Junger Freund!« de Poccole war überwältigt. »Habt Ihr wirklich diese Statue um Gotteslohn heraufgebracht? Hört, hört, wo findet man heutzutage noch so etwas? Aber ich verspreche Euch, Euer Name wird in aller Munde sein, wenn wir den Gott an einem würdigen Platze aufstellen: im Palast des Patriarchen, im Tempel Aller Götter oder wer weiß, vielleicht sogar in meinem bescheidenen Hause - nicht immer sind die Mächtigen auch die Verdienstvollen«, schloss er salbungsvoll und übersah geflissentlich die ärgerlichen Blicke der anderen Sammler. Doch nun kam Leben in Jermyn. Er sah auf, immer noch das merkwürdige Glitzern in den schwarzen Augen.
»Was redet Ihr da für Schmonzes? Ihr habt wohl zu lange in der Sonne gestanden? Das Ding wird bei mir stehen! Ich habe es heraufgebracht und es gehört mir!«
Mit diesen Worten legte er die Figur zurück auf die Bahre und befestigte die Gurte wieder. Er tat dies mit großer Sorgfalt, sanft, als habe er ein lebendes Wesen unter den Händen. Die fassungslosen Blicke der Sammler, de Poccoles empörtes Schnaufen schien er nicht zu bemerken.
»Bursche, was fällt dir ein?«, donnerte de Poccole. »Dir ist wohl mein Lob zu Kopf gestiegen, was? Sofort setzt ihr die Trage ab. Ich, Braggo de Poccole, befehle es!«
Der Bulle und Jermyn hatten die Trage an den vorderen Holmen ergriffen, während Witok die beiden hinteren genommen hatte. Auch die anderen Sammler begannen zu murren.
»De Poccole hat recht.«
»Er kann sie nicht einfach mitnehmen, sie gehört der Stadt Dea.«
»Oder in den Tempel aller Götter.«
De Poccole machte ein paar Schritte hinter der Bahre her. »Hörst du nicht, Spitzbube?«, blaffte er. »Komm sofort zurück! Wachen, Wachen!«
Jermyn drehte sich um. Seine Augen flammten böse und er spie vor de Poccoles Füße in den Staub der Arena.
»Du bist lästig, Fettwanst! Das Maul soll dir zukleben!«
Mitten im Wort klappte De Poccoles Mund zu. Er mühte sich, dass ihm die Augen aus den Höhlen sprangen, aber vergebens, er bekam die Lippen nicht auseinander. Die anderen Sammler wichen zurück, als fürchteten sie dasselbe Schicksal, und ließen die drei mit ihrer Last ziehen.
»Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Wartet nur, bis der Patriarch und der Hohepriester davon erfahren«, murmelte einer von ihnen, aber Piero d’Este schüttelte wehmütig den Kopf.
»Ihr Toren, habt Ihr keine Augen im Kopf? Der Gott hat schon gewählt.«
Die anderen Sammler wechselten vielsagende Blicke - wahrhaftig, der alte d’Este wurde langsam wunderlich. Der Vorarbeiter aber, der alles mitangehört hatte, dachte sich seinen Teil, und am Abend schwirrten die dunklen Viertel davon, dass ein Gott in den Ruinenpalast eingezogen war.
2. Kapitel
Als Jermyn am nächsten Morgen erwachte, war der Platz neben ihm leer. Er wusste es, bevor er die Augen aufschlug, aber es verstörte ihn nicht mehr so wie am Anfang ihres Zusammenlebens. Ninian hielt es nicht im Bett, wenn sie einmal wach war; sie würde bei Wag und Kamante in der Küche sitzen oder den Sonnenaufgang bewundern. Absonderlichkeiten, die ihm nie einfallen würden - er räkelte sich genüsslich in den schlafwarmen Decken, als etwas Glitzerndes seinen Blick fing.
Der kleine Gott - mit einem Schlag fielen ihm die Ereignisse des Vortages ein und er setzte sich auf.
Der goldene Leib schimmerte
Weitere Kostenlose Bücher