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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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sie gedrungen. Abgesehen davon war seine Gesellschaft angenehm und als er sie im Hof des Stadthauses vom Pferd gehoben hatte, waren seine Hände geblieben,ß wo sie hingehörten. Artos hatte sie erst kräftig auf die Füße treten müssen, damit er begriff, dass sie sich nicht betatschen ließ.
    Im Stadthaus war sie Duquesne öfter begegnet. Stets wirkte er streng und unnahbar. Wer nicht mit ihm zu reden hatte, machte einen Bogen um ihn und im Speiseraum hatte sie manches böse Wort über ihn gehört. Zu ihr allerdings war er von ausgesuchter Höflichkeit. Als er sie nach ihrer ersten Begegnung im Stadthaus gesehen hatte, war er zu ihr gekommen.
    »Ihr seid allein, Fräulein? Ist es weise von Ely ap Bede, ein junges Mädchen seines Hauses ohne Begleitung ausgehen zu lassen?«
    »Sorgt Euch nicht, Hauptmann, ich kann mich aller Zudringlichkeit erwehren«, hatte sie geantwortet und gereizt durch seine strenge Miene, hinzugefügt: »Oder wollt Ihr nicht, dass ich herkomme?«
    »Euer Kommen und Gehen hängt nicht von meinem Willen ab«, hatte er steif erwidert, dann waren die kalten Augen freundlicher geworden. »Es wäre ein guter Lohn für meine Mühen, wenn eine junge Frau unbelästigt durch die Straßen gehen kann. Kommt, sooft Ihr wollt, Ninian.«
    Er hatte gelächelt und es hatte ihm gut angestanden. Manchmal war ihr bei diesen Begegnungen gewesen, als kenne sie ihn, und sie hatte sich den Kopf zerbrochen, ob sie ihn im Gefolge des Patriarchen im Haus der Weisen gesehen hatte. Es schien ihr unwahrscheinlich, einen Mann wie Duquesne vergaß man nicht.
    Der Siegellack splitterte unter ihren Fingern. Halb in Gedanken hatte sie den Brief auseinander gefaltet und unwillkürlich fiel ihr Blick auf ein paar hastig hingekritzelte Worte.
    »... Euer Angebot bedacht und bin bereit, Euch zu treffen ...«
    Sie faltete das Blatt schnell wieder zusammen und legte es zurück. Es schickte sich nicht, fremde Briefe zu lesen, außerdem war die Schrift kaum zu erkennen, es war dunkel geworden.
    Erschrocken sprang sie auf. Es fiel kein Licht mehr durch die Ritzen der Fensterläden, der Mond war weiter gewandert. So lange konnte es nicht dauern, den Brautschatz an sich zu nehmen ...
    Während sie zu der geschnitzten Wand stürzte, machte sie sich bittere Vorwürfe. Wie konnte sie an Artos und Duquesne denken, wenn Jermyn sich auf ihre Wachsamkeit und Hilfe verließ?
    In der Aufregung fand sie das Untier nicht gleich und musste erst die drei Kerzen entzünden, um besser zu sehen. Von unerklärlicher Angst ergriffen, suchte sie mit fliegenden Fingern die Wand ab. Hier war es – sie zerrte an dem geschuppten Leib, die schwere Tür schwang mit leisem Sausen auf und eine verkrümmte Gestalt kippte aus der Öffnung vor ihre Füße.
     
    Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, legte sich die Stille wie eine dichte Decke um Jermyn. Im Zimmer, in den Korridoren war es ruhig gewesen, aber überall waren kleine Geräusche zu hören, das Knacken der Holzdielen, der leise Hauch eines Luftzuges, sein eigener Atem. Hier schluckte die Stille alle Geräusche und einen Augenblick lang glaubte er, taub zu sein. Er begann zu pfeifen, laut und falsch, aber die Töne klangen dumpf, als tropfe Regen auf Lumpen. Er gab es auf und sah sich um.
    Die Geheimkammer war eng und niedrig, leer bis auf die Schlinge, ein schmales Kabinett an der hinteren Wand und eine dicke Kerze in eisernem Leuchter.
    Die Schlinge verschwand in einem viereckigen Loch in der Decke, von dem übrigen Mechanismus, den Gewichten und Zahnrädern, die Vitalonga beschrieben hatte, war nichts zu sehen. Jermyn stellte seinen Beutel ab, rückte den Leuchter näher und entzündete die Kerze. Vorsichtig näherte er sich der Schlinge. Sie bestand aus gewachster Leinwand, ein dickes Gewebe, das einiges an Gewicht tragen konnte. Ein Brett lag darin, auf dem ein Lederbeutel ruhte, genau in der Mitte mit Spielraum auf beiden Seiten. Behutsam, mit beiden Händen, rückte Jermyn ihn beiseite und sah dabei prüfend nach oben, ob sich dort etwas bewegte. Als ihm der Platz ausreichend erschien, holte er den Sandsack. Mit der freien Hand griff er den Schatzbeutel und ließ das Ersatzgewicht daneben sinken, bis es das Brett beinahe berührte.
    In der stickigen Wärme rann ihm der Schweiß über den Rücken. Wenn Vitalonga sich verschätzt hatte, würde gleich das ganze Haus auf den Beinen sein. An einen Fluchtplan hatte er nicht gedacht ...
    Zum Jammern war es zu spät, er konnte nicht mehr zurück.

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