AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Schwarzsilberne gab ihm einen herablassenden Klaps auf die Schulter und der Ringer schlurfte mit gesenktem Kopf auf seinen Platz zurück.
Jermyn stieß einen leisen Pfiff aus. »Sie haben ihn ganz schön am Wickel.« Er verstummte, als die Gegner sich voreinander verbeugten. Der Schiedsrichter verlas die Regeln und der Wettkampf begann.
Nach drei Treffen fragte Ninian ungläubig: »Er ist der Meister aller Klassen? Ich versteh vielleicht nichts vom Ringen, aber das ...«
Jermyn warf sich ungeduldig in seinen Sitz zurück, »... ist ein Trauerspiel«, stimmte er verächtlich zu.
Lustlos ließ der Bulle die Angriffe seiner Gegner über sich ergehen. Er fertigte sie ab, ohne Stil und Grazie, und mehr als einmal hatte er Mühe einen besonders eifrigen Herausforderer zu Boden zu ringen. Als er sich des letzten, der wie ein Rattenhund an ihm hing, endlich entledigt hatte, stolperte er ohne Verbeugung zum Ausgang. Hier und dort gab es Beifall, aber höhnisches Johlen und Buhrufe mischten sich hinein. Der Gladiator zuckte darunter zusammen und verschwand mit eingezogenem Kopf hinter dem Vorhang.
Ninian sah ihm mit einer Mischung von Verachtung und Mitleid nach.
»Warum soll man sich so was anschauen? Er scheint keine Lust zum Kämpfen zu haben.«
Jermyn nickte. »Du hast recht, aber ich sorge dafür, dass sich das ändert. Komm.« Er stand auf und sprang die Zuschauertribüne hinunter. Ninian folgte ihm neugierig.
Jermyn führte sie unter den hölzernen Sitzreihen in die Gänge der Schule bis zu einer Treppe, die in der Tiefe verschwand. Sie tasteten sich ausgetretene Steinstufen hinunter, die in einen gemauerten, durch Öllampen erhellten Gang mündeten, dem sie folgten. Es war kühl und feucht und Ninian fröstelte. Die Mauern zu beiden Seiten bedeckten eingeritzte Bilder und Worte.
»Wo sind wir hier, Jermyn? Was sind das für Kritzeleien?«
Jermyn warf einen flüchtigen Blick auf die Wand.
»Weiß nicht. Angeblich gab's die Gladiatorenschulen schon, als im Alten Zirkus noch Kämpfe stattfanden. Frag Vitalonga. So, hier sind wir ... mal sehen, ob sie uns zu ihm lassen.«
Der Gang endete in einem langgestreckten Raum, in dem blakende Pechfackeln brannten. Von der gegenüberliegenden Wand führten mehrere Türen aus rohgezimmerten Holzlatten.
An einer hing ein vertrockneter Blätterkranz, davor kauerte, merkwürdig verkrümmt, ein Mann und säuberte mit dem Dolch seine Fingernägel.
»Oi, Witok, ich will mit dem Bullen sprechen.«
Der Mann tat, als habe er nicht gehört. Schließlich schielte er unter seiner zottigen Mähne hervor und bleckte gelbe Zähne.
»Und was hat Jerrmyn mit dem Bullen zu rreden, möcht ich wissen ...«
Er lallte, als sei seine Zunge zu groß für seinen Mund und als er sich aufrichtete, sah Ninian, dass seine rechte Schulter höher stand als die linke. Den Kopf konnte er kaum bewegen, er saß tief zwischen den Schultern. Aber die kleinen dunklen Augen blickten listig aus dem zerfurchten Gesicht, er schien fest entschlossen, sich nicht von der Stelle zu rühren.
Jermyn lächelte sanft und sah den Verwachsenen unverwandt an, bis der unbehaglich von einer Seite zur anderen rutschte.
»Das sag ich ihm schon selbst. Komm, Witok, du weißt ganz gut, dass du mich nicht aufhalten kannst. Aber glaub mir, es ist nicht zu seinem Schaden. Der Ehrenwerte Fortunagra hat keinen Grund, mich zu lieben, und ich habe den Eindruck, als gäbe es gewisse Unstimmigkeiten zwischen dem Bullen und seinem Patron.«
Der Bucklige grunzte bei der Erwähnung des Ehrenwerten und rückte widerwillig beiseite.
»Gutt, geh rrein zu ihm. Is nich meine Schuld, wenn er dir sprringt an die Gurgel. Aber das Frräulein bleibt draußen.«
Er warf Ninian einen finsteren Blick zu. Jermyn runzelte die Brauen.
»Sie gehört zu mir«, sagte er rasch und wollte Ninian an seine Seite ziehen. Witok erhob sich halb von seinem Stuhl. Mit seinem großen, halslosen Schädel wirkte er selbst wie ein angriffslustiger Stier.
»Der Bulle brraucht keine Weiber in seiner Zelle, machen nur Scherereien. Ich sag, das Frräulein bleibt draußen!«
Jermyns Gesicht wurde hart, aber Ninian kam ihm zuvor.
»Ich warte hier, es macht mir nichts aus. Es ist besser, du redest allein mit ihm.« Als er immer noch zögerte, lächelte sie spöttisch. »Du weißt doch, dass ich auf mich aufpassen kann.«
Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und es knisterte leise.
»Also gut, ich gehe allein.«
Der Bucklige klopfte an den
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