AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
lachte leise. »Ich sehe es, weil ich darin geübt bin. Du leuchtest wie eine, die es schon beim ersten Mal genossen hat.«
Sie runzelte die Stirn.
»Ich wollte mir den Kuss von Sabeena holen. Morgen, vor den Tempel der Großen Göttin wollte ich auf sie warten. Es reicht schon, wenn ich ihre Hand küsse, aber wer weiß, ob ich überhaupt an sie herankomme und sie hat ihn sicher nur ertragen, es herrscht keine Liebe zwischen diesen beiden. Du dagegen – willst du mir diesen Kuss geben, Schwester? Ich spüre, dass der Zauber heute Nacht mächtig in dir wirkt ...«
Sie sahen sich an, nicht mehr Fürstentochter und Bettlerin, sondern zwei Liebende. Ohne ein Wort nickte Ninian. Die junge Frau trat dicht an sie heran, nahm ihr Gesicht in beide Hände und Ninian spürte heiße Lippen auf ihrem Mund. Es war ein langer, seltsamer Kuss und als er endete, lachte die Bettlerin triumphierend.
»Ah, ich wusste es«, murmelte sie, »das wird mich retten. Nun komm, du bist hungrig. Großmutter soll dir und deinem Mann zu essen geben und sie soll dich segnen.«
Jermyn war erleichtert, als sie in den Kreis des Feuers traten. Ninian wirkte etwas aufgelöst, aber sie lächelte. Kurz darauf hockten sie auf einem Lumpenbündel und löffelten dicke, würzige Suppe, die ihnen die Alte in zwei irdene Schalen gereicht hatte. Es schmeckte besser, als es aussah, und jetzt erst spürten sie, wie hungrig sie waren. Bereitwillig füllte die Alte die Schalen ein zweites Mal und als sie fertig waren, nahm sie Ninians Hand.
Einen Augenblick lang tauchten die alten verblassten Augen in die klaren jungen und hielten sie fest. Mit einem undeutlichen Segensspruch gab die Bettlerin Ninian wieder frei.
Sie bedankten sich und als Jermyn der Alten das Silberstück hinstreckte, nahm sie es ungerührt an. Dann sah er Ninian mit einem Blick an, dass ihre Knie weich wurden und sagte heiser:
»Komm, gehen wir nach Hause.«
Als sie aus dem Lichtkreis heraustraten, hatten sie die seltsame Begegnung schon vergessen.
Die Bettlerinnen sahen ihnen nach.
»Sie hat eine große Kraft in sich«, sagte die junge Frau nachdenklich. Die Alte nickte und überraschte die Enkelin mit dem ungewohnten Mitleid in ihrer Stimme.
»Ja, die wird sie auch brauchen ... armes Kind!«
4. Kapitel
Fruchtmond bis Mitte Rebenmond
1464 p. DC
Die dreitägigen Hochzeitsfeiern waren vorüber. Müde, aber zufrieden kehrten die Bürger der Stadt an ihre tägliche Arbeit zurück, ausgenommen jene, die erst ihre Blessuren kurieren mussten. Bader und Pillendreher hatten alle Hände voll zu tun.
Man sprach lange von der Feier, die so erhaben begonnen und so wild und fröhlich geendet hatte. Die letzte wüste Schlägerei hatten sich Gardisten der Palastwache mit den Schlägern aus Duquesnes Sondertruppe geliefert, als diesen ihre Stellung zu Kopf gestiegen war und sie auch vornehmes Volk gemaßregelt hatten. Duquesne musste Pfeffergeschosse und Feuerspritzen einsetzen, um die Kämpfenden zu trennen.
Die Schläger waren in den dunklen Vierteln verschwunden und der Patriarch hatte einen seiner berüchtigten Wutanfälle bekommen – nicht etwa wegen der gestörten Ordnung, sondern weil ein Teil seiner eleganten Leibgarde eine Weile nicht vorzeigbar war.
Duquesne hatte den Ausbruch geduldig über sich ergehen lassen und unter den Höflingen hieß es, er habe ausgesehen wie ein Kater, der endlich den Lieblingsvogel seines Herrn erwischt hatte. Die Verfolgung der Übeltäter hatte er mehr als nachlässig betrieben.
Die Frauen Deas aber, ob hoch oder niedrig, kannten tagelang nur ein Thema – die wundersame Wandlung der Sabeena Sasskatchevan. Sie war als Siegerin aus dieser Brautnacht hervorgegangen war, daran gab es keinen Zweifel. Doch kein Gerücht über den Grund drang über die Schwelle des Hochzeitsgemachs.
Alle, die dem Brautpaar am nächsten Morgen das Geleit gaben, fanden die Veränderung, die über Nacht mit Sabeena vorgegangen war, beeindruckender als ihren kostbaren Aufzug. Sie hatte ihren Ehemann in den Schatten gestellt, als sie mit hoch erhobenem Haupt durch die jubelnde Menge geritten war. Schon, dass sie zu Pferde war, überraschte und es hieß, sie habe sich geweigert, den Tempel in der Sänfte zu verlassen und mit Nachdruck darauf bestanden zu reiten.
Artos hatte krumm und übernächtigt auf seinem schwarzen Hengst gehockt und die Menge hatte nicht mit derben Späßen und guten Ratschlägen gespart. Auch Sabeena war nicht strahlend glücklich gewesen, aber sie hatte
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