AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
freigiebig.«
Ninian, die der Hunger zwickte, meinte ungnädig: »Warum bringst du sie nicht dazu? Du hast doch sonst keine Skrupel.«
Er ließ sie los und sagte halb belustigt, halb verärgert: »Ich werd den armen Teufeln bestimmt nicht ihr bisschen Essen wegnehmen. Außerdem hab ich gerade zu viel von mir weggegeben, um meine Gedanken zu sammeln, wenn du verstehst, was ich meine!«
Sie errötete und folgte ihm widerstrebend. Weder die Alte noch der Kessel gefielen ihr.
Wenige Bettler lagen heute auf den harten Steinen, die meisten ließen es sich auf den Festplätzen gut gehen. Sie machten in diesen Tagen das Geschäft ihres Lebens. Nur eine jüngere Frau saß neben der Alten und starrte reglos in die Flammen.
Jermyn grüßte und fragte höflicher als es Ninian von ihm gewohnt war: »Habt Ihr etwas für uns übrig, Maggia? Wir bezahlen gut.«
Er holte eine Silbermünze hervor und hielt sie der Frau hin. Sie sah ihn mit unbewegtem Gesicht an, aber als ihr Blick auf Ninian fiel, die in den Lichtschein des Feuers getreten war, erwachten ihre Augen plötzlich.
»Steck das Silber weg, Junge«, krächzte sie. »Ich verkaufe mein Essen nicht an Bürger.« Sie spuckte aus und fuhr listig fort: »Aber ich gebe dir, wenn meine Enkelin deine Liebste küssen darf.«
Jermyn hörte Ninians überraschtes Atemholen und runzelte die Stirn. Die Bettler hatten eigene Rituale, dunkel und gefährlich, und es passte ihm nicht, dass sie damit in Berührung kam. Unterdessen hatte auch die jüngere Frau den Kopf gehoben und sah Ninian prüfend an.
Sie mochte ein oder zwei Jahre älter sein und selbst der Schmutz konnte die düstere Schönheit ihres Gesichts nicht verdecken. Ihre mürrische Miene belebte sich.
»Ja, gib ihnen was, Großmutter, wenn sie mich küsst. Sie ist sogar noch besser als die andere.«
Jermyn schüttelte ärgerlich den Kopf und öffnete den Mund, um das Ansinnen abzuschlagen, aber Ninian kam ihm zuvor.
»Warum? Warum willst du mich küssen?«, fragte sie mit ihrer klaren Stimme und er stöhnte. Die junge Frau stand auf und schüttelte ihre zerrissenen Röcke aus.
»Komm mit, das ist nichts für Männerohren!«
Sie sah Jermyn finster an und ging ein paar Schritte beiseite. Ninian folgte ihr.
Die alte Frau lachte meckernd.
»Sie hat ihren eignen Kopf, deine Liebste, was?«
Jermyn nickte nur. Daran hatte sich offensichtlich nichts geändert.
In der Dunkelheit außerhalb der Feuerstellen standen sich die beiden jungen Frauen gegenüber. Die Bettlerin war größer als Ninian und sie hielt sich stolz wie eine Königin. Unter der durchdringenden Musterung hob Ninian unwillig das Kinn.
»Sag schon, was du willst.«
Die andere lachte leise. »Deine Hilfe bei einem Liebeszauber, Schwester«, erwiderte sie ungerührt und als Ninian sie verständnislos ansah, fuhr sie fort: »Ich habe einen Mann, für den ich durch dieses Feuer gehen würde«, sie deutete mit dem Kinn zu den Flammen, vor denen sich dunkel Jermyns Umrisse und die der Alten abhoben. »Aber er, dieser Schuft«, sie spuckte wie eine wütende Katze, »fängt an sich von mir abzuwenden. Ich spüre, wie seine Leidenschaft erkaltet, wie er Ausreden erfindet, wenn ich bei ihm sein will. Er zieht mit seinen Freunden herum und lässt mich allein. Und mein Schoß ist immer noch leer. Wenn ich zwei Jahre nach unserer Hochzeit kein Kind habe, kann er mich nach unserem Recht verlassen. Das käme ihm gerade zupass!«
Sie ballte ihre nicht gerade sauberen Hände zu kleinen, harten Fäusten.
»Ich wusste nicht, dass es für euch wichtig ist, Erben zu haben«, sagte Ninian erstaunt und die andere erwiderte verächtlich:
»Pah, was weiß eine wie du schon von uns? Meine Großmutter ist die Weise Frau der Bettler und ich werde es nach ihrem Tode sein. Er hat von seinem Vater die Königswürde geerbt, aber er wird sie nur behalten, wenn er sie an einen Sohn aus seinen Lenden weitergeben kann. Bisher hat er nur Mädchen gezeugt, aber nicht mit mir und deshalb darf ich seine Liebe nicht verlieren. Er hätte keine Mühe, eine andere zu finden. Es gibt einen starken Zauber, um einen Mann an sich zu binden und dazu gehört der Kuss eines Mädchens, gleich nachdem es das erste Mal einen Mann umarmt hat. Ihr Feuer wird die erloschene Glut neu entflammen. Es ist noch nicht lange her, dass er dich gehabt hat, nicht wahr?«
Die scharfe Frage überrumpelte Ninian und sie war froh, dass die Dunkelheit ihr Erröten verbarg.
»Sieht man das so deutlich?«
Die andere
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