Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
Vom Netzwerk:
Gedanke streifte.
    »Die Schatzkammer ist umgeben von Kerkern und Verliesen. Seid vorsichtig, Junge, dass Ihr nicht dort landet, Ihr und Euer Mädchen. Gebt gut auf sie acht«, und beinahe widerwillig: »Und auch auf Euch!«
     
    Nach der übermäßigen Hitze in Vitalongas Höhle umfingen sie die Kälte und der Dunst, die vom Fluss heraufkrochen, wie ein übelriechendes, klammes Laken. Dennoch ging Jermyn an den schäbigen Läden entlang, die sich unter der Brücke drängten. Ninian folgte ihm widerstrebend.
    Vitalongas direkter Nachbar sammelte alles, was der Fluss herantrug, und breitete es vor seinem Laden aus in der unbegreiflichen Hoffnung, Käufer für löchrige Amphoren, zweibeinige Dreifüße und zerbrochene Öllampen zu finden.
    In der nächsten Türöffnung hingen ein paar schäbige Lumpen, muffig und grau, wie mit Mehltau überzogen. Ein Mann lehnte dort, aber anders als die meisten Altkleiderhändler empfing er sie nicht mit einem Wortschwall. Süßlich duftende Schwaden wehten aus der dämmrigen Höhle hinter ihm und mischten sich mit dem Gestank des Wassers. Der Mann musterte sie abschätzend und führte Daumen und Zeigefinger an die Nase, als wolle er schnupfen. Jermyn schüttelte den Kopf.
    »Kein Bedarf.«
    »Is beste Qualität, Patron«, flüsterte der Mann.
    »Friss es selbst und krepier dran!«
    »Schläfers Wonne«, murmelte er, als sie weitergingen. Der Händler spuckte lautstark hinter ihnen aus und Ninian überlief es kalt.
    Der folgende Laden war kreuz und quer mit Brettern verschlagen, aber es sah aus, als sei es in Eile geschehen. Die Nägel saßen nicht fest. Jermyn löste eine der Latten und spähte durch die Lücke.
    »Wahrscheinlich hat Vitalonga recht, der Kerl sitzt längst am Ouse-See. Und er ist schon lange weg, schau dir die Spinnweben an. Schade, den hätten wir gebraucht.«
    Ninian warf nur einen flüchtigen Blick in das dunkle Loch. Sie zog ihr Tuch vor das Gesicht und zupfte Jermyn ungeduldig am Ärmel.
    »Lass uns verschwinden, dieser Fluss stinkt zum Steinerweichen und ich will endlich mit der Karte anfangen!«
    »Was hast du eben vor dich hingemurmelt?«, fragte sie auf dem Heimweg, »Schläfers Sonne oder so ähnlich.« Angeekelt wich sie einem toten Hund aus, der mitten auf der Gasse lag.
    Jermyn grinste.
    »Schläfers Wonne. Kennst du das nicht? Es ist ein getrocknetes Kraut, man kann es rauchen oder durch die Nase ziehen, manche backen es in kleine Kuchen und essen es. Es macht angenehme Träume und man vergisst alles darüber.«
    Er deutete mit dem Kinn auf eine Frau, die in einem Hauseingang hockte und vor sich hinstierte. Der Straßenschmutz hatte ihre Fußlappen und den zerrissenen Rocksaum durchweicht. Sie achtete kaum auf den mageren Säugling an ihrer Brust, dessen verkrümmter Fuß wie eine kleine Klaue unter ihren Lumpen hervorragte. Vor ihr stand ein hölzerner Napf, doch als ein Grauer Bruder, der in festen Stiefeln unbeirrt durch den Schlamm stapfte, eine Münze hineinwarf, hob sie nicht einmal den Kopf.
    »Die hat’s mit Fusel versucht«, meinte Jermyn gleichgültig. »Bei dem anderen Zeug sieht man glücklicher aus. Uff, so ein Dreck.«
    An manchen Stellen sanken sie jetzt bis zu den Knöcheln in den Morast und Ninian hob ihren Rock und befestigte den Saum am Gürtel.
    »Hast du es auch genommen?«
    Jermyn nickte.
    »Ja, ab und zu. Es half gegen die Kopfschmerzen und gegen das Elend, aber ich hab’s nicht oft bekommen, es ist teuer. Wenn Seykos sehr betrunken war, hat er manchmal nicht mehr richtig mitgekriegt, wie viele Münzen er mir schon gegeben hatte, und dann hab ich mir ein oder zwei Lot gekauft, Sternenstaub, Goldener Nebel - es hat viele Namen.«
    »Und jetzt?«
    »Nehme ich es nicht mehr.« Er schwieg einen Augenblick. »Vater Dermot meinte, es gäbe kein besseres Mittel, meinen Geist zu schädigen,« fuhr er zögernd fort, als spräche er nicht gern davon, »er würde davon stumpf werden wie ein scharfes Schwert, mit dem man Bäume fällt. Und ich hab ihm geglaubt. Er hat mir gezeigt, wie ich meine Gedankenkräfte einsetzen kann, ohne dass mir jedes Mal der Schädel zerspringt. Es hat zwar ’ne Weile gedauert, aber schließlich hab ich eingesehen, dass er recht hatte.«
    Ninian sah ihn von der Seite an. Es war deutlich, wie schwer ihm die Einsicht gefallen war. Die durchdringenden Augen waren auf den Boden gerichtet, die schwarzen Brauen finster zusammengezogen.
    »Was hat er dir gezeigt?«
    Die Worte waren heraus, bevor sie sich zurückhalten

Weitere Kostenlose Bücher