AvaNinian – Zweites Buch
Abend in die dunkle Halle zurückgekehrt war, hatte er die beiden in einer Oase aus Licht über die beinahe fertige Karte gebeugt gefunden. Das Feuer hatte flackernde Schatten an die Wände geworfen und blitzende Lichtfunken aus dem gläsernen Leib der Bilha geschlagen. Es blubberte leise, wenn Ninian an dem Mundstück zog, und unwillkürlich hatte er an zwei Hexen denken müssen, die über dem Geschick eines Menschen brüteten. Und so war es auch: Vielleicht hing Ciskes Leben vom Erfolg ihrer Arbeit ab. Ohne sie zu stören, war er in die Galerie hinaufgeklettert.
Jetzt waren die Hexen verschwunden, zurückgeblieben waren zwei müde, aber zufriedene Mädchen. Ninian reckte ihre verkrampften Glieder, gähnte gewaltig und stieß Jermyn an, der schon völlig in den verheißungsvollen Anblick der Karte versunken war.
»Morgen soll Wag Babitt holen, dann können wir sehen, ob wir einen brauchbaren Weg finden. Für heute reicht es mir. Ich kann kaum noch die Augen aufhalten!«
Später schmiegte sie sich schläfrig in seine Arme.
»Wer hätte gedacht, dass deine Steinchenklauberei doch mal zu was Nutze sein würde!«
Sie hörte ihn nur noch aus weiter Ferne und schlief über dem Kichern ein.
2.Kapitel
24. Tag des Regenmondes 1465 p.DC
Vormittag
»Doppelte Posten? An allen Ausgängen im Umkreis von einer halben Meile?« Der Hauptmann der Palastwache verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß . »Darf ich Euch darauf hinweisen, dass das übrige Gebäude dann so gut wie unbewacht bleibt? Dass ich selbst die Wachen vor den Räumen des Patriarchen abziehen muss, um so viele Männer, wie Ihr verlangt, in den Gewölben zu postieren? Sicher ist Euch bekannt, dass immer ein Drittel meiner Männer dienstfrei hat - Ihr seid ja stets bestens auf dem Quivive.«
Wenn Duquesne die versteckte Unverschämtheit der letzten Bemerkung wahrgenommen hatte, so zeigte er es mit keiner Miene. Ein dünnes Lächeln spielte um seine Lippen.
»Ruft sie zurück, Battiste, ruft sie zurück«, erwiderte er gelassen. »Die Wachen werden genauso aufgestellt, wie ich sage. Dem Patriarchen zuliebe sollten sie gern eine doppelte Schicht auf sich nehmen.«
In den langen Jahren seines Dienstes im Palast hatte auch Erastes de Battiste gelernt sich zu beherrschen. Nichts in seinem Gesicht verriet den kalten Zorn, den er darüber empfand, dass er in seiner eigenen Wachstube Befehle von einem Mann entgegennehmen musste, den er verachtete.
Er fühlte die eisblauen Augen durchdringend auf sich gerichtet und wie schon oft fragte er sich, wie viel sie sahen. Es war allgemein bekannt, dass Duquesne von seiner Mutter gewisse Gedankenkräfte geerbt hatte, nicht jedoch, welches Ausmaß sie hatten.
Er wusste bestürzend gut über alle Vorfälle in der Stadt Bescheid und der Patriarch ließ ihn gewähren, ja, er hatte Duquesne gestattet, aus der jämmerlichen Stadtwache eine gefährlich schlagkräftige Truppe aufzubauen, die vielen Edlen ein Dorn im Auge war.
Solange die Stadtwächter und ihr Hauptmann sich auf die Überwachung der volkreichen, armen Stadtviertel beschränkten, konnte man sie dulden, doch nun verlangte Duquesne, dass Battiste sich mit seinen Männern zu seiner Verfügung halten sollte. Das dreiste Eingreifen in den Mannschaftsplan erboste ihn ungemein und da er trotz seines geckenhaften, vielfach geschlitzten Anzugs und der kostbaren Spitzen an Hals und Handgelenken ein mutiger Mann war, sagte er kalt:
»Solche Befehle darf ich von Rechts wegen nur vom Patriarchen entgegennehmen. Weiß er von Eurem Handeln?«
Zuerst dachte er, er sei zu weit gegangen. Duquesne starrte ihn mit ausdruckslosem Gesicht an, dann schob er den Stuhl zurück und stand auf. Er hob die Hand und Battiste sah lange Jahre treuen Dienstes in den Staub sinken - einen Schlag von diesem Mann würde er nicht unerwidert hinnehmen.
Doch Duquesne schlug nicht zu. Seine Hand fiel schwer auf die wattierte Schulter und die Zähne blitzten weiß in dem dunklen Gesicht.
»Gut gemacht, Hauptmann Battiste! Ihr seid ein treuer Diener des Patriarchen, es wird mir eine Freude sein, ihm zu berichten, wie gut er sich auf Euch verlassen kann. Aber ich kann Euch beruhigen: Der Patriarch selbst hat mir in diesem Falle freie Hand gegeben. Ihr dürft mir getrost die Verantwortung für Eure Mannschaft überlassen. Ruft die dienstfreien Männer zurück, damit wir ausreichend Wachen aufstellen können.«
Er leerte das Glas, das der Hauptmann ihm zusammen mit seinem Stuhl angeboten hatte. Dann
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