AvaNinian – Zweites Buch
jubeln!«
Babitt stand auf, er machte ein paar Schritte ins Zimmer hinein. Der Schein der Lampe fiel auf sein Gesicht und schlagartig verging ihnen allen das Lachen.
»Gut, gut haben wir das gemacht, Jermyn«, flüsterte er, »nur eins ist schiefgelaufen -
CISKE IS TOT UND DU BIST SCHULD, DU BETRÜGERISCHER HUND!«
Die Adern an seinem Hals schwollen an und mit erhobenen Fäusten stürzte er sich auf den überraschten Jermyn.
Selbst zu viert hatten sie Mühe, den Tobenden zu überwältigen. Erst als Jermyns Hand grob an seiner Schläfe landete und die schwarzen Augen rot aufglühten, brach er zu ihren Füßen zusammen. Jermyn war kalkweiß unter dem Schmutz geworden, dennoch legte er die Hand auf Babitts Stirn und ließ sie dort, bis das wilde Schluchzen verstummte und Babitt still wurde. Mule hob ihn auf wie ein kleines Kind und trug ihn auf sein Bett.
Jermyn hockte am Boden, den Kopf zwischen den Knien und Ninian schlang besorgt die Arme um ihn. Er sah auf, Babitts wilde Verzweiflung in den Zügen und zog sie an sich, so heftig, dass sie nach Luft schnappte. Dann gab er sie frei und sie halfen sich gegenseitig auf die Füße.
Knots sah unschlüssig von einem zum anderen und Mule, der Babitt behutsam hingelegt und zugedeckt hatte, grollte:
»Es is deine Schuld, hatt’ er gesagt.«
»Jou, der Kasten war leer, ich hab’s selbs’ gesehn«, stimmte Knots misstrauisch ein.
Er schob sich näher an das eiserne Kaminbesteck, während der große, schwerfällige Mann, dem Babitts Wort Gesetz war, einen drohenden Schritt auf die beiden jungen Leute zu machte. Jermyn seufzte.
»Nur ruhig, ihr treuen Schwachköpfe. Glaubt ihr wirklich, sie hätten die Kleine getötet, weil sie einen leeren Kasten bekommen haben? Lasst sie uns ansehen!«
Er nahm die Lampe vom Tisch und trat zu Babitts Bett. Mule und Knots folgten ihm, eingeschüchtert durch den schwarzen Blick, der die Worte begleitet hatte, aber in Treue immer noch bereit, sich mit ihm anzulegen. Ninian ging zögernd hinterher, ihr graute vor dem, was sie zu sehen bekommen würde.
Ciske lag auf dem Rücken, das Gesicht abgewandt, die Hände unter einem von Babitts Wämsern verborgen. Schwarze Locken fielen über ihre Wangen und ringelten sich auf den weißen Schultern. Im Lampenlicht leuchteten die heiteren Farben der Blüten des Mieders, es schien beinahe, als bewegten sich die gestickten Ranken.
Jermyn berührte sanft ihre Schulter und einen Moment lang hofften sie alle, dass Babitt sich geirrt hatte. Ciske würde aufwachen, sie würde erschrocken aufsehen und später würden sie zusammen über Babitts Irrtum lachen.
Aber das Mädchen rührte sich nicht und als Jermyn nach ihrem Kinn griff und ihren Kopf zu sich drehte, fiel das Licht auf das wächserne Antlitz einer Leiche.
»Is sie ... is sie tot?«, flüsterte Mule, fassungslos wie ein Kind.
»Ja, und nicht erst seit einer Stunde, wenn ich mich nicht irre. Halt mal!«
Jermyn drückte Mule die Lampe in die Hand und nestelte am Mieder des toten Mädchens, doch Ninian stieß ihn beiseite.
Die Tränen saßen wie ein dicker Kloß in ihrer Kehle, die Schrecken der Hetzjagd, der Wechsel von begeistertem Überschwang zu hoffnungsloser Verzweiflung hatten sie erschüttert. Zum ersten Mal kam sie dem gewaltsamen Tod so nahe und das Opfer war nicht viel älter als sie selbst. Aber Ciske war ein anständiges Mädchen gewesen, sie hatte ihr Brot mit ihrer Hände Arbeit verdient, auch im Tode sollte ihr kein Mann zu nahe treten.
»Lass mich das machen, sie hätte bestimmt nicht gewollt, dass ...«, die Stimme versagte ihr und stumm löste sie die Bänder des Mieders. Die Schnüre waren verwirrt und zu unordentlichen, festen Knäuel zusammengezogen.
»Das hat sie nicht selbst gebunden«, murmelte Ninian und zupfte den letzten Knoten mit spitzen Fingern auf.
»Zieh ihr Hemd hoch«, sagte Jermyn ausdruckslos, »ich seh keine Würgemale an ihrem Hals und ich glaub nicht, dass sie vergiftet wurde.«
Vorsichtig hob sie das fleckige Hemd. Beim Anblick der schmalen Wunde mit den schwarz verkrusteten Rändern unter der linken Brust presste sie die Lippen zusammen und zog das Hemd hastig wieder herunter. Jermyn nickte.
»Wie ich’s mir gedacht habe. Die Wunde ist bestimmt älter als einen Tag und sie haben nicht durch das Hemd gestochen, sie war nackt, als sie getötet wurde ... oh, Scheiße!«
Er hatte Babitts Wams weggenommen und die Männer wichen mit angeekelten Gesichtern zurück, Ninian aber stürzte zu dem
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