Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
Fügt man den Suchbegriff Sizilien hinzu, sind es immerhin nur noch vierhundertsechsundvierzigtausend. Bei Mario, Sizilien und Trüffelhund spuckt die Suchmaschine immerhin nur noch einhundertneunundsiebzig Treffer aus. Ich stoße auf das Youtube-Video Mario aus Sizilien konvertiert zum Islam und einen Koch, der seinen Gästen Köstlichkeiten aus seiner Heimat anbietet. Ich muss einen Weg finden, die Suche einzugrenzen, und beschließe deshalb, meine Mutter anzurufen. Hektisch wähle ich ihre Nummer und warte ungeduldig, bis sich endlich jemand am anderen Ende der Leitung meldet.
»Mama! Ich bin’s. Erinnerst du dich noch an unsere Ferien auf Sizilien?«, komme ich gleich auf den Punkt. Immerhin redeteine Mutter gern und viel, und wenn ich erst mit den üblichen Floskeln anfange, sind wir übermorgen noch nicht fertig.
»Hallo Dana-Maus. Schön, dass du anrufst. Sizilien. Ach ...« Meine Mutter seufzt. »Natürlich erinnere ich mich. Das war die beste Zeit meines Lebens, einfach wunderbar. Dein Vater und ich waren noch so verliebt. Das erste Mal Sizilien, einer meiner schönsten Urlaube. Ich war gerade schwanger mit dir, und dein Vater hat mich in dieses wunderschöne Restaurant ausgeführt. Liebste, hat er gesagt und mir dabei über den Bauch gestreichelt. Liebste ...«
»Mama!«, unterbreche ich meine Mutter unsanft. »Jetzt nicht wieder die Geschichte mit dem Heiratsantrag. Ich kann sie schon mitsprechen!« Ich muss lachen und führe ihren Satz im Gedächtnis fort. Liebste Gerlinde ... Ich kann nicht fassen, dass du dich in einen so einfachen Mann wie mich verliebt hast. Die Chance muss ich nutzen und dich fragen: Willst du mich heiraten? Eigentlich ganz süß, dass meine Mutter immer noch ins Schwelgen gerät, wenn sie daran denkt. Bis heute sind meine Eltern ein glückliches Paar. Natürlich haben auch sie ihre Höhen und Tiefen, aber trotzdem sind sie ein tolles Team. Und normalerweise hole ich mir nicht nur Ratschläge von meiner Mutter, sondern plaudere auch gern mit ihr. Aber heute bin ich ungeduldig.
»Na, danke. Du hast deine alte Mutter wohl gar nicht mehr lieb«, entgegnet sie und tut beleidigt.
»Mama. Natürlich habe ich dich lieb, aber ich bin doch in Italien. Da ist das Telefonieren teuer! Das weißt du doch!« Jetzt hab ich sie! Meine Mutter ist ein echter Sparfuchs.
»Natürlich. Du hast ja Recht. Dann lass uns lieber aufhören!«
»Nein! So hab ich das auch nicht gemeint. Ich will dich doch was fragen.«
»Aber warum fragst du dann nicht?«
»Weil du die ganze Zeit redest ...«
»Nun frag schon!«, mahnt sie mich zur Eile.
Also, als ich zwölf war, da waren wir doch mal auf Sizilien.« Ich erwarte, dass nun eine Geschichte folgt, aber prompt ist Stille in der Leitung, dann höre ich leises Geraschel. Vermutlich sitzt sie gerade auf dem dunkelbraunen Ledersofa im Wohnzimmer und sucht etwas in dem Holzregal neben dem Fernseher.
»Warte mal ...«, höre ich sie aus der Ferne murmeln. Es raschelt weiter, dann ist sie wieder am Telefon. »Na bitte. Hier hab ich es doch. Du weißt ja, dass ich unsere Urlaubsbilder alphabetisch nach Ländern geordnet habe. Hier ist es. S wie Sizilien.« Ich höre, wie sie die Seiten aufschlägt. »Ach, wie hübsch du da aussahst, kannst du dich noch an das weiße T-Shirt mit Mickey Mouse drauf erinnern? Den hab ich dir eigenhändig aufgebügelt.«
»Ja, klar!«, antworte ich schnell, um sie davon abzuhalten, diese Anekdote allzu ausführlich wiederzukäuen. »Weißt du noch, wo wir da waren?«
»Na, auf Sizilien.«
»Ja, danke.« Ich muss lächeln, so weit war ich auch schon. »Geht’s vielleicht etwas genauer?«, sage ich leicht ironisch.
»Das war auf einem Ferienhof. Irgendwo an der Küste. Ach, war das schön da in den Hügeln von Sizilien, mit Blick auf das Meer. Ich hab hier ein Foto von dem Haus, in dem wir waren. Es steht zwischen diesen uralten Olivenbäumen. Da habt ihr immer zusammen gesessen. Du und dieser Junge.«
»Mario?«
»Ja, genau. Ein wirklich hübscher Kerl. Wo ist denn dieses Bild ...«, ich höre, wie meine Mutter das Album weiter durchblättert, »... mit dem Hund?«
»Das hab ich hier, das hat mir seine Mutter doch damals geschenkt. Und ich will ihn wiedersehen. Immerhin war Mario meine erste Liebe. Und er war der erste Junge, der mich geküsst hat.«
»Tatsächlich? Damals habt ihr euch ziemlich oft gestritten. Du wolltest immer deinen Dickkopf durchsetzen. Und dass ihr eucheküsst habt, hast du mir gar nicht erzählt.«
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