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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Stunden zuvor.
    Damals die donnernden Hufe galoppierender Schwadronen, das Tosen der entfesselten Elemente, das unaufhörliche Zucken von Blitzen durch den herniederprasselnden Hagel; die Schreie der Angst und Verzweiflung einer Armee, die unter den tödlichen Schlägen der Naturgewalten zerschmettert wurde.
    Jetzt der weißverhüllte Leichnam, die im verhaltenen Schritt gehenden Pferde, die Reiter, die ihre Speere mit zum Boden weisender Spitze hielten, und zu beiden Seiten, im melancholischen Licht des Mondes, sahen wir die Frauen von Kaloon ihre Toten begraben.
    Und Ayesha selbst, gestern eine Walküre, an deren Stirn ein glühender Stern schimmerte, heute eine Trauernde, die ihrem toten Mann zu seiner Grabstätte folgte.
    Doch wie die Menschen sie auch jetzt noch fürchteten! Eine Witwe, die am Rand des Grabes stand, das sie eben ausgehoben hatte, deutete mit ausgestreckter Hand auf den verhüllten Leichnam Leos und schrie uns bittere Worte zu, die ich nicht verstand. Sofort fielen die anderen Witwen über sie her, schlugen sie mit Fäusten und Schaufeln zu Boden, warfen sich auf die durchnäßte Erde und drückten ihre Gesichter in den Schlamm, zum Zeichen ihrer Unterwerfung vor der Priesterin des Todes.
    Ayesha warf einen Blick auf sie und sagte mit einem Anflug ihres gewohnten Feuers: »Ich werde die Ebene von Kaloon nie wieder betreten, doch als Abschiedsgeschenk habe ich diesem arroganten Volk eine Lektion erteilt, die es notwendig brauchte. Viele Generationen lang, Holly, wird niemand es wagen, einen Speer gegen den Tempel der Hes und die ihm untertanen Stämme zu erheben.«
    Es war wieder Nacht geworden, und an der Stelle, an der einst der tote Khan gelegen hatte, lag jetzt der Mann, der ihn getötet hatte.
    Ihm zu Häupten, auf ihrem Thron, saß die tief verschleierte Ayesha und erteilte ihren Priestern und Priesterinnen Befehle.
     
    »Ich bin müde«, sagte sie schließlich, »und es ist möglich, daß ich euch für eine Weile verlassen werde, um mich auszuruhen – jenseits der Berge. Vielleicht ein Jahr lang, vielleicht für tausend Jahre, ich kann es nicht sagen. Wenn ich gegangen bin, soll Papave, mit Oros als ihrem Berater und Ehemann meinen Platz einnehmen – und ihre Kinder und Kindeskinder, wenn meine Abwesenheit länger währen sollte, bis ich wieder zurückkehre.
    Priester und Priesterinnen des Tempels der Hes, ich habe meine Hand über neues Land erhoben; nehmt es als mein Erbe, regiert es gut und gerecht, denn von nun an soll die Hesea des Berges auch die Khania von Kaloon sein.
    Priester und Priesterinnen unseres alten Glaubens, lernt, durch seine Riten und Symbole, die seine äußere Form bilden, den darunter verborgenen, gestaltenden Geist zu erkennen. Wenn Hes, die Göttin, auch nie auf Erden regierte, gehorcht den Gesetzen der Natur. Wenn der Name der Isis auch nie von den Wänden himmlischer Paläste widerhallte, so wohnt sie doch im Himmel, nachdem all ihre Liebe Erfüllung fand, und stillt dort ihre irdischen Kinder.
    Denn nicht auf ewig sollen wir das Brot der Bitterkeit essen, und vom Wasser der Tränen sollen wir nicht immer trinken. Hinter der Nacht erhebt sich die königliche Sonne, und selbst aus dem Wolkenbruch leuchtet ein Regenbogen. Die Leben derer, die wir verlieren, mögen uns wohl aus den Händen gleiten wie geschmolzener Schnee, doch werden wir sehen, daß sie in Wahrheit unsterblich sind, und aus der Asche des Feuers unserer menschlichen Hoffnungen wird sich ein himmlischer Stern erheben.«
    Sie machte eine Pause und winkte mit der Hand, als ob sie die versammelten Priester und Priesterinnen entlassen wolle, doch dann setzte sie hinzu: »Dieser Mann« – dabei deutete sie auf mich – »ist mein geliebter Freund und Gast. Laßt ihn auch den euren sein. Es ist mein Wille und Befehl, daß ihr ihn behütet und versorgt, und wenn der Schnee schmilzt und der Sommer vor der Tür steht, sollt ihr ihm eine Möglichkeit schaffen, die Schlucht am Fuß des Grenzgebirges von Kaloon zu überwinden, durch die er in dieses Land gekommen ist, und ihn durch diese Berge geleiten, bis er in Sicherheit ist. Hört und vergeßt nicht, denn eines Tages werdet ihr mir über ihn Rechenschaft geben müssen!«
     
    Als sich diese Nacht dem Morgen näherte, standen wir auf dem Gipfel oberhalb des Vulkankraters. Wir waren zu viert – Ayesha und ich, und Oros und Papave. Die Priester, die den Leichnam Leos heraufgetragen und die Bahre am Rand der Felsplattform abgesetzt hatten, waren wieder

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