Ayesha - Sie kehrt zurück
Verschwunden war der düstere Himmel, und das ganze Firmament schien zärtlich zu lächeln. Vergangen waren die Härten des Winters mit ihren schneidenden Winden, und der Frühling, begleitet von seinen Zephyren, herrschte über das Tal und sang sein Lied von Liebe und Leben.
Dort in der Kammer, auf der Höhe des Turms, in Gegenwart der Lebenden und der Toten, und während sich der letzte Akt der großen Tragödie vor meinen Augen abspielte, rief der Ausdruck auf Ayeshas Gesicht in mir die Erinnerung an dieses Erlebnis wach. Denn so ein Wechsel schien in ihr stattgefunden zu haben. Bis zu diesem Augenblick schien ihr Herz, bei all ihrer äußeren Schönheit, die Kälte eines Bergwinters mit seinem unüberwindlichen Schnee auszustrahlen, und vor ihrer reinen Stirn und ihrer eisigen Selbstbeherrschung erstarben alle Hoffnungen, vergingen alle Wünsche.
Sie schwor, daß sie liebte, und ihre Liebe erfüllte sich im Tod und auf viele mysteriöse Weisen. Doch fiel es einem schwer, zu glauben, daß diese ihre Leidenschaft sich nicht nur in Worten erschöpfte, denn wie kann der Stern die Motte suchen, obwohl die Motte den Stern suchen kann? Obwohl der Mensch die Göttin lieben kann, nur um ihres göttlichen Lächelns willen, wie kann die Göttin einen Menschen lieben?
Doch jetzt war alles anders geworden! Seht! Ayesha ist zum Menschen geworden; ich konnte ihr Herz unter der Robe schlagen sehen, hörte ihren sanften Atem, und auf ihrem Gesicht, in ihren verführerischen Augen stand jener Ausdruck, der nur aus der Liebe geboren werden kann. Immer schöner und reizvoller schien dieses Gesicht zu werden, nicht länger das Gesicht der Einsiedlerin der Höhlen, nicht länger das Gesicht des Orakels im Tempel, nicht länger das Gesicht der Walküre in der Schlacht, sondern nur noch das der glücklichsten und schönsten Frau, die je vor den Augen des von ihr erwählten Mannes stand.
Sie sprach, doch nur von Lappalien, denn auf diese Weise zeigte sie, daß sie sich selbst besiegt hatte.
»Sieh«, sagte sie mit einem Blick auf ihre weiße Robe, die von Speeren zerfetzt und vom Staub und Blut der Schlacht befleckt war; »sieh, mein Herr, in welchem Hochzeitskleid ich erscheine, um mich dir endlich hinzugeben, anstatt in königlichen Juwelen und Roben, wie sie meinem Stand gebühren, und dem deinen.«
»Ich will die Frau, nicht ihre Kleider«, sagte Leo, seinen brennenden Blick auf ihr Gesicht gerichtet.
»Du willst die Frau. Ah! Das ist es! Sage mir, Leo, bin ich eine Frau oder ein Geist? Sag mir, daß ich eine Frau bin, denn jetzt lastet die Prophezeiung jener toten Atene schwer auf meiner Seele, die besagte, daß Mensch und Geist sich nie vereinen könnten.«
»Du mußt eine Frau sein, sonst hättest du mich nicht so quälen können, wie du es in den vergangenen Wochen getan hast.«
»Ich danke dir für den Trost deiner Worte. Doch war es eine Frau , welche die Verheerung in dieser Stadt angerichtet hat? War es eine Frau , vor der sich Wind und Blitz verneigten und ihr sagten: ›Hier sind wir; befiehl und wir gehorchen‹? Ist dieses tote Dinge (und sie deutete auf die gesprengte Tür) vor dem Willen einer Frau aus seinem Rahmen gesprungen? Und hätte eine Frau jenen Mann in Stein verwandeln können?
Oh, Leo, wie sehr ich wünschte, eine Frau zu sein! Ich sage dir, daß ich all meine Macht, all meine Größe mit Freuden opfern würde, als Morgengabe, die ich dir zu Füßen legte, könnte ich sicher sein, daß ich nur für ein einziges, kurzes Jahr nichts anderes wäre als eine Frau – deine glückliche Frau.
Du sagtest, daß ich dich gequält habe, doch bin es ich, die Qualen erlitten hat. Ich war es, Leo, die sich nach Hingabe sehnte und es nicht wagte. Ja, ich sage dir, Leo, wäre ich nicht sicher, daß dein karges Rinnsal des Lebens unaufhaltsam in den großen Ozean meines Lebens fließt, von ihm angezogen, so wie die See alle Flüsse anzieht, oder die Sonne die Nebel, würde ich selbst jetzt nicht nachgeben. Doch ich weiß, weil all meine Weisheit es mir sagt, daß das böse Werk sich vollenden wird, ehe wir die Gestade Libyens erreichen, daß du tot sein wirst vor Verlangen; du tot, und ich verwitwet, die ich nie eine Ehefrau war.
Drum sei es! Wie die tote Atene nehme ich die Würfel in die Hand und werfe sie, ohne zu wissen, wie sie fallen werden, ob ich sie gut oder schlecht werfen werde.« Sie machte eine wilde Geste, wie ein verzweifelter Spieler, der seinen letzten Wurf tut.
»Es ist getan«, fuhr sie
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