Ayesha - Sie kehrt zurück
nicht versteinert, hätte ich dich warnen können, daß es so kommen würde; aber, große Herrin, es hat dir gefallen, mich in Stein zu verwandeln. Und aus diesem Grund scheint es, o Hes, daß du dir zu viel zugemutet hast und jetzt zerbrochen am Fuß des Berges liegst, den du, Schritt für Schritt, im Lauf zweitausend endloser Jahre bestiegen hast. Sieh, was du um den Preis unzähliger Leben erworben hast, die nun vor dem Thron des Obersten Richters Anklage gegen den Mißbrauch deiner Macht erheben und nach Gerechtigkeit schreien.«
Er blickte den toten Leo an.
»Ich trauere um sie, Simbri, und doch waren ihre Leben gut genutzt«, sagte Ayesha nachdenklich, »die durch das vorbestimmte Verhängnis deine Hand daran hinderten, zuzustoßen, und mir so einen Ehemann gewannen. Ja, und ich bin glücklich, glücklicher, als solche blinden Fledermäuse wie du es sehen oder erraten können. Denn wisse, daß ich nun, durch ihn, meine unruhig umherstreifende Seele, die durch Sünde von mir geschieden war, wiedergewonnen habe, und aus dem Hochzeitskuß, der sein Leben verbrannte, sollen uns Kinder der Vergebung und der ewigen Gnade geboren werden.
Sieh, Simbri, ich werde dir eine große Ehre zuteil werden lassen. Du sollst mein Bote sein. Doch hüte dich! Hüte dich, sage ich dir, meinen Befehlen nicht genau nachzukommen, denn ich werde über alles Rechenschaft verlangen!
Geh jetzt hinunter zu den Pfaden des Todes, und, da selbst meine Gedanken nicht den Ort erreichen können, an dem er heute schläft, suche meinen Herrn und sage ihm, daß die Füße seiner Frau Ayesha ihm sehr bald folgen werden. Sage ihm, daß er keine Sorge um mich zu haben braucht, der durch sein letztes Leiden meine Sünden von mir genommen und mich durch seinen Kuß wiedergeboren hat. Sag ihm, daß es so vorgesehen war und so am besten ist, denn nun badet er gewiß in der Flamme des Ewigen Lebens; jetzt ist die Nacht der Sterblichen für ihn vergangen und der ewige Tag ist angebrochen. Befiehl ihm, am Tor des Todes auf mich zu warten, wo ich ihn sehr bald begrüßen werde! Hast du gehört?«
»Ich habe gehört, o Königin, Macht aus alten Zeiten.«
»Noch eine Botschaft. Sag Atene, daß ich ihr vergebe. Ihr Herz war groß, und sie hat ihre Rolle gut gespielt. Dort, bei dem Tor, wollen wir unsere Rechnungen begleichen. Hast du gehört?«
»Ich habe gehört, o Ewiger Stern, der die Fesseln der Nacht zerrissen hat.«
»Dann, Mann, geh! «
Als dieses Wort Ayeshas Lippen verließ, griffen Simbris Arme in die Luft, als ob sie dort Halt suchten; dann taumelte er rückwärts gegen den Tisch, an dem Leo und ich gegessen hatten und riß ihn um; zusammen mit den Schüsseln und Tellern aus Silber stürzte er zu Boden und war tot.
Ayesha blickte ihn an und sagte dann zu mir: »Sieh, obwohl dieser Magier mich immer gehaßt hat, kannte er mich von Anbeginn und huldigte schließlich meiner uralten Majestät, als Lügen und Trotz ihm nichts mehr nützten. Nun brauche ich nicht mehr länger den Namen zu hören, den seine tote Herrin mir gab: ›Gefallener Stern‹; von seinen Lippen und in Wahrheit ist dieser Name zu ›Ewiger Stern, der die Fesseln der Nacht zerrissen hat‹ geworden, und dieser Stern, wiedererstanden, strahlt nun für immer – strahlt Seite an Seite mit seinem unsterblichen Zwilling – und wird nie wieder untergehen, mein lieber Holly. Nun, er ist gegangen, und sehr bald werden jene, die mir in der Unterwelt dienen – erinnerst du dich? Du hast ihre Führer im Tempel gesehen – ihre Häupter neigen, um Ayesha willkommen zu heißen und ihr ihren Platz neben ihrem Gemahl zu bereiten.
Doch – oh! – wie dumm bin ich gewesen. Wenn mein Zorn selbst auf Erden solche Verheerungen hervorrufen kann, wie konnte ich hoffen, daß mein Herr die Feuer meiner Liebe ertragen würde? Doch war es besser so, denn er suchte nicht die Macht und den Glanz, die ich ihm geben wollte, noch wollte er den Tod anderer Menschen. Doch Macht und Glanz wären in diesem armseligen Schatten einer Welt sein Schicksal gewesen, und die Stufen, die zum Thron eines Eroberers führen sind immer schlüpfrig von Blut.
Aber du bist müde, mein lieber Holly, ruh dich aus! Morgen reisen wir zum Berg zurück, um dort meinen Herrn zu bestatten.«
Ich ging in den Nebenraum – es war Simbris Schlafgemach gewesen – und legte mich aufs Bett. Doch ich konnte nicht schlafen. Durch die Öffnung der zerbrochenen Tür fiel das zuckende, flackernde Licht der brennenden Stadt herein, und
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