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Ayesha - Sie kehrt zurück

Ayesha - Sie kehrt zurück

Titel: Ayesha - Sie kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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eine Lampe in der Hand hielt.
    »Du hast lange geschlafen, Freund Holly«, sagte er, »und jetzt ist es Zeit, aufzustehen.«
    »Lange?« fragte ich. »Wie ist das möglich? Es ist doch noch dunkel.«
    »Es ist das Dunkel einer neuen Nacht«, antwortete er. »Viele Stunden sind vergangen, seit du eingeschlafen bist. Aber es ist gut, daß du dich ausgeruht hast, solange Zeit und Gelegenheit dazu war, denn wer weiß, wann du wieder schlafen können wirst! Komm, laß mich nach deinem Arm sehen.«
    »Sag mir ...«
    »Nein, Freund«, unterbrach er entschieden. »Ich werde dir jetzt nichts sagen, außer, daß wir sehr bald aufbrechen müssen, um rechtzeitig zum Begräbnis des Khan zu kommen und – vielleicht – auch die Antworten auf eure Fragen zu erhalten.«
    Zehn Minuten später führte er mich ins Eßzimmer, wo Leo mich bereits voll angekleidet erwartete, denn Oros hatte ihn geweckt, bevor er zu mir gekommen war, und ihn gebeten, sich bereitzumachen. Oros erklärte uns, daß die Hesea befohlen habe, uns nicht vor der festgesetzten Stunde zu stören, da wir in dieser Nacht noch viel ertragen müßten.
    Nachdem wir gegessen hatten, brachen wir auf.
    Wieder wurden wir durch den riesigen, von Flammensäulen erhellten Tempel geführt, wieder betraten wir die ovale Apsis. Der Raum war jetzt leer, genau wie der Schrein. Der Leichnam des Khan war verschwunden, und niemand saß auf dem von dem Silbervorhang verdeckten Thron.
    »Die Mutter ist fortgegangen, um den Toten zu ehren, wie es der uralte Brauch befiehlt«, erklärte Oros die Abwesenheit des verhüllten Orakels.
    In der Rückwand des Schreins befand sich eine Tür, und hinter der Tür ein Tunnel, der durch die Felswand der Apsis führte. Er wirkte wie der Korridor eines Hauses, da zu beiden Seiten Türen waren, die in andere Räume führten. Zu den Wohnräumen der Hesea und ihrer Dienerinnen, erklärte uns unser Führer. Er fügte hinzu, daß diese Zimmer an der Außenwand des Felsens gelegen seien und ihre Fenster einen Blick auf die Gärten der Talsenke böten.
    In dem Korridor erwarteten uns sechs Priester, von denen jeder ein Bündel Fackeln unter dem Arm trug.
    »Unser Weg führt durch den Berg«, sagte Oros. »Wenn es Tag wäre, könnten wir über die Schneefelder aufsteigen, doch bei Nacht ist dieser Weg zu gefährlich.«
    Dann nahm er einem der Priester zwei Fackeln ab, entzündete sie an einer Lampe und reichte sie uns.
    Jetzt begann der Aufstieg. Wir gingen durch endlose, ansteigende Tunnel, die von den primitiven Feueranbetern in unvorstellbar mühseliger Arbeit in den gewachsenen Fels getrieben worden waren. Es kam mir vor, als ob sie sich meilenweit erstreckten, und das war auch der Fall, da wir über eine Stunde brauchten, um die ständig leicht ansteigenden Tunnel hinter uns zu bringen. Schließlich gelangten wir an den Fuß einer riesigen Treppe.
    »Ruhe dich hier eine Weile aus, Lord«, sagte Oros und verbeugte sich vor Leo mit der Reverenz, die er ihm von Anfang an erwiesen hatte, »denn die Treppe ist steil und hoch. Wir befinden uns jetzt auf der Höhe des Kraterrandes, und die Treppe befindet sich im Innern des hohen Pfeilers, der sich auf ihm erhebt.«
    Also setzten wir uns auf den Boden und ließen uns von der kühlen Zugluft, die von oben hereinwehte, erfrischen, denn der lange Marsch durch die aufwärts führenden Tunnel hatte uns in Schweiß geraten lassen. Während wir so saßen, hörte ich ein dumpfes, grollendes Geräusch und fragte Oros, was das sei. Er erklärte mir, daß wir uns unmittelbar neben dem Vulkankrater befänden, und das Grollen, das ich höre, sei das Toben der ewigen Feuer. Kurz darauf begannen wir den Aufstieg.
    Er war nicht gefährlich, doch ziemlich ermüdend, denn die steile Treppe hatte etwa sechshundert Stufen. Der Marsch durch die Tunnel hatte mich an die Galerien der Großen Pyramide erinnert, der Aufstieg im Innern des Pfeilers ließ mich an die Treppen im Turm einer Kathedrale denken – das heißt, von mehreren, übereinanderstehenden Türmen.
    Wir mußten mehrere Pausen einlegen, als wir uns die sechshundert Stufen hinaufquälten, von denen jede gut einen Fuß hoch war, bis wir die Spitze des Pfeilers erreichten und nur noch der Ring über uns lag. Doch auch den mußten wir noch ersteigen, und ich war sehr froh, daß die Treppe auch hier im Innern des Felsens verlief, denn ich spürte, wie das mächtige Auge des Pfeilers unter dem Ansturm des Windes erzitterte.
    Schließlich sahen wir Licht, und nach weiteren

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