Ayesha - Sie kehrt zurück
nicht nur, ich bin dessen sicher«, antwortete ich, »aber je mehr, desto besser, denn aus dem Streit kann vielleicht die Wahrheit kommen, die wir so nötig brauchen.« Ich schwieg und überlegte, daß die seltsame Frau, die vor uns saß, gesagt hatte, daß ihre Späher im Gebirge unsere Gespräche belauscht hätten, wo wir natürlich nur englisch gesprochen hatten.
Wie es sich herausstellte, war es weise, zu schweigen, denn die Hesea sagte ruhig: »Du hast Erfahrung, Holly, aus dem Streit kommt die Wahrheit, wie aus dem Wein.«
Dann schwieg sie wieder, und ich hatte auch keine Lust, die Konversation fortzusetzen.
Die Tür wurde aufgestoßen, und eine Prozession in Schwarz trat herein, gefolgt von dem Schamanen Simbri, der vor der Bahre schritt, auf der die Leiche des Khan lag und die von acht Priestern getragen wurde. Hinter der Bahre schritt Atene, von Kopf bis Fuß in einen schwarzen Schleier gehüllt, und ihr folgte eine zweite Gruppe schwarzgekleideter Priester. Vor dem Thron wurde die Bahre abgesetzt und die Priester traten zurück, so daß Atene und ihr Onkel allein vor dem Leichnam standen.
»Was sucht meine Vasallin, die Khania von Kaloon?« fragte die Hesea mit eisiger Stimme.
Jetzt trat Atene vor, beugte ein Knie, und richtete sich trotzig sofort wieder auf.
»Alte Mutter, Mutter der Antike. Ich verneige mich vor deinem ehrwürdigen Amt, so wie es meine Vorfahren seit vielen Generationen getan haben.« Wieder beugte sie kurz ein Knie. »Mutter, dieser tote Mann erbittet von dir das Recht des Begräbnisses in den Feuern des heiligen Berges, wie es von Anbeginn dem königlichen Geblüt gewährt wurde, die vor ihm gegangen sind.«
»Es ist gewährt worden, wie du sagst«, antwortete die Hesea, »von den Priesterinnen, die vor mir auf diesem Platz gesessen haben, und es soll auch deinem toten Herrn nicht verwehrt werden. Und auch nicht dir, Atene – wenn deine Zeit gekommen ist.«
»Ich danke dir, o Hes, und bitte dich, daß dieser Beschluß niedergeschrieben wird, denn der Schnee des Alters liegt auf deinem verehrungswürdigen Haupt, und bald wirst du uns für eine Weile verlassen müssen. Darum bitte deine Schreiber, daß sie es festhalten, damit die Hesea, die nach dir herrschen wird, dein Versprechen erfüllen kann, wenn die Zeit dazu gekommen ist.«
»Schweig«, sagte die Hesea, »und gieß nicht deine Bitterkeit über eine aus, die deine Ehrfurcht verlangen kann! Oh, du närrisches Kind, das nicht weiß, daß schon morgen die Feuer die Jugend und Schönheit verschlingen werden, auf die du so stolz bist. Ich frage dich: wie hat der Tod diesen, deinen Herrn gefunden?«
»Frag die beiden Wanderer dort, die seine Gäste waren, denn sein Blut klebt an ihren Händen und schreit nach Rache durch deine Hand!«
»Ich habe ihn getötet«, sagte Leo, »um mein eigenes Leben zu retten. Er hat versucht, uns mit seinen Hunden zu Tode zu hetzen; dort haben sie ihre Spuren hinterlassen.« Er deutete auf meinen Arm. »Der Priester Oros weiß das, denn er hat die Wunden verbunden.«
»Wie konnte das geschehen?« fragte die Hes die Khania.
»Mein Herr war irre«, sagte sie ohne zu zögern, »und das war sein grausames Vergnügen.«
»So. Und war dein Herr auch eifersüchtig? Nein, sprich die Lüge nicht aus, die auf deiner Zunge liegt! Leo Vincey, antworte du mir! Nein, ich will dir nicht zumuten, mir die Geheimnisse einer Frau zu enthüllen, die dir ihre Liebe angeboten hat. Du, Holly, sollst sprechen!«
»Es ist so, Hes«, antwortete ich. »Diese Lady und ihr Onkel, der Schamane Simbri, haben uns vor dem Tod in den Wassern des Flusses gerettet, der vor dem Grenzgebirge von Kaloon fließt. Später waren wir krank, und sie haben uns gut versorgt, doch die Khania verliebte sich während dieser Zeit in meinen Adoptivsohn.«
Bei diesen Worten bewegte sich die Priesterin unter ihrem Faltengewand, und die Stimme sagte: »Und verliebte sich dein Adoptivsohn auch in die Khania, wie es viele Männer getan hätten, da sie sehr schön ist?«
»Diese Frage kann er dir selbst beantworten, o Hes. Ich weiß nur, daß er alles tat, um ihr zu entkommen, und daß sie ihn zuletzt vor die Wahl stellte, sich zwischen dem Tod und einer Heirat zu entscheiden, die stattfinden sollte, sobald der Khan tot sei. Deshalb flohen wir mit Unterstützung des Khans, der auf Leo eifersüchtig war, zum Berg, der ja unser Ziel war. Nun setzte der Khan seine Hunde des Todes auf uns an, denn er war irre und von falschem Herzen. Wir
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