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Azathoth - Vermischte Schriften

Azathoth - Vermischte Schriften

Titel: Azathoth - Vermischte Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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dem alten Potter zuhörte und daran dachte, was ich gehört hatte, merkte ich plötzlich eine gewisse Spannung unter ihnen und eine leichte Veränderung in ihrer Haltung. Sobald der Vater zu reden aufhörte, gab es eine eigentümliche Harmonie der Haltung - alle vier schienen einer inneren Stimme zu lauschen, und ich bezweifelte, daß sie meine Einwände überhaupt hörten.
    »Sie können nicht erwarten, daß ein Junge, der so intelligent ist wie Andrew, einfach hierher zurückkehrt«, sagte ich.
    »Das hier reicht«, sagte der alte Potter. »Außerdem, er ist unser Kind. Und fangen Sie jetzt bloß nicht an, über uns zu reden, Mr. Williams.«
    Der so bedrohliche Unterton in seiner Stimme verblüffte mich. Gleichzeitig spürte ich einen wachsenden Hauch von Feindschaft, der nicht so sehr von einem oder allen Vieren ausging als von dem Haus und seiner Umgebung.
    »Danke«, sagte ich. »Ich fahre.«

    Ich drehte mich um und ging hinaus. Andrew folgte mir auf den Fersen.
    Draußen sagte er leise: »Sie sollten nicht über uns reden, Mr.
    Williams. Pa wird zornig, wenn er es erfährt. Sie haben mit Wilbur Dunlock gesprochen..
    Ich wollte eben in den Wagen steigen und hielt inne. Einen Fuß auf dem Trittbrett, wandte ich mich um. »Hat er das gesagt?« fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Sie waren es, Mr. Williams«, sagte er und trat zurück. »Es geht nicht darum, was er glaubt, sondern was er vielleicht tut.«Ehe ich etwas sagen konnte, war er im Haus verschwunden.
    Einen Augenblick lang stand ich unentschlossen da. Die Entscheidung wurde mir jedoch abgenommen. In der
    Dämmerung schien das Haus plötzlich eine Drohung
    auszustrahlen, und alle Wälder der Umgebung schienen nur wartend dazustehen, um sich zu mir herunterzubeugen. Ich bemerkte sogar ein Rascheln im ganzen Wald, wie das Flüstern des Windes, obwohl sich kein Lüftchen regte, eine
    Feindseligkeit, die vom Haus selbst ausging, wirkte wie ein Faustschlag. Ich kletterte in den Wagen und fuhr fort, den Eindruck von Bösartigkeit im Rücken wie der heiße Atem eines rasenden Verfolgers.
    Endlich erreichte ich, zutiefst verstört, mein Zimmer in Arkham. Rückblickend hatte ich eine beunruhigende psychische Erfahrung gemacht. Es gab einfach keine andere Erklärung. Ich hatte die unumstößliche Überzeugung, daß ich mich, wenn auch blinden Auges, in weit tiefere Gewässer gestürzt hatte, als mir bewußt war, und gerade das Unerwartete an dem Erlebnis machte die Sache so schauerlich. Vor lauter Verwunderung über die Vorgänge in dem Haus im Hexenloch konnte ich nichts essen, denn ich fragte mich, was die Familie aneinander fesselte, sie an den Platz kettete und in einem begabten Jungen wie Andrew Potter noch den flüchtigsten Wunsch erstickte, das dunkle Tal zu verlassen und in eine hellere Welt
    hinauszuziehen.
    Ich lag in der Nacht größtenteils schlaflos da, erfüllt von namenloser Angst, für die es keine Erklärung gab, und als ich zu guter Letzt einschlief, war mein Schlaf erfüllt von verstörenden Träumen, in denen Wesen, die meine alltägliche Phantasie weit überstiegen, den Schauplatz beherrschten und sich
    kataklysmische Ereignisse höchsten Grauens und Entsetzens ereigneten. Als ich am nächsten Morgen erwachte, fühlte ich, daß ich auf eine Welt gestoßen war, die mir völlig fremd war.
    Ich kam an diesem Morgen früh zur Schule, doch Wilbur Dunlock war schon vor mir da. Seine Augen richteten sich mit anklagender Trauer auf mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, was vorgefallen war, um diesen gewöhnlich freundlichen Schüler so aufzubringen.
    »Sie hätten Andrew Potter nicht sagen sollen, daß wir über ihn gesprochen haben«, sagte er mit unglücklicher Resignation.
    »Das habe ich nicht, Wilbur.«
    »Ich war es nicht, das weiß ich. Also müssen Sie es gewesen sein«,sagte er. Und dann: »Sechs von unseren Kühen wurden letzte Nacht getötet, als der Stall, in dem sie standen, über ihnen zusammenstürzte..
    Ich war zu verblüfft, um sogleich zu antworten. »Ein plötzlicher Sturm«, begann ich, doch er unterbrach mich.
    »Letzte Nacht gab es keinen Wind, Mr. Williams. Und die Kühe wurden zermalmt..
    »Du wirst doch nicht glauben, daß die Potters irgend etwas damit zu tun haben, Wilbur!« rief ich.
    Er warf mir einen müden Blick zu - den Blick eines, der weiß und dem Blick eines anderen begegnet, der wissen sollte, aber nichts versteht - und sagte nichts mehr.

    Das war noch aufregender als mein Erlebnis in der
    vergangenen Nacht.

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