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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch nicht geschafft, die Tür aufzubekommen.
    Er drückte die Sprechtaste. »Ja?«
    »Peter?«
    Das war Clausens Stimme, der Fahrer des anderen Streifenwagens, der dreißig Meter entfernt mit noch immer zuckendem Blaulicht quer auf der Fahrbahn stand und die zweite Hälfte der improvisierten Straßensperre bildete, die sie errichtet hatten. Nicht, daß das irgend etwas nutzte. Der Menschenmenge zufolge, die hie r innerhalb der letzten Viertel stunde zusammengekommen war, hätte man meinen können, sich an einem langen Samstag auf dem Ku'damm zu befinden, nicht mitten in der Nacht in einer Wohngegend an der Peripherie der Stadt.
    »Nein, hier ist der Kaiser von China«, antwortete Bremer gereizt. Wen um alles in der Welt erwartete Clausen, wenn er ihn anfunkte?
    »Ich fürchte, wir kommen hier nicht weiter.« Die Verbindung war zu schlecht, um sagen zu können, ob Clausen seinen aggressiven Ton zur Kenntnis genommen hatte oder nicht. »Ruf doch lieber einen Schlosser an.«
    »Was ist so schwer daran, eine Tür aufzubrechen?« fragte Bremer, noch immer im gleichen gereizten Ton. »Wenn der Hausmeister es nicht schafft, dann tritt sie meinetwegen ein. Ihr werdet doch noch so eine blöde Tür aufkriegen, oder?«
    Diesmal verging ein spürbarer Moment, ehe Clausen antwortete. »Was ist denn los mit dir? Wieso bist du so gereizt?«
    Du solltest die Sauerei hier mal sehen dachte Bremer, dann wüßtest du, warum ich gereizt bin.
    Aber er sprach diese Antwort nicht laut aus. Clausens Reaktion machte ihm klar, wie es wirklich um seine Verfassung bestellt war. Er verlor so gut wie nie die Beherrschung und niemals die Fassung, aber es kam auch höchst selten vor, daß jemand sein Gehirn über die Uniform seines Partners verteilte.
    »Es ist nichts«, sagte er ausweichend. »Entschuldige. Was ist nun mit der Tür? Kriegt ihr sie auf oder nicht?«
    »Keine Chance«, antwortete Clausen. »Fort Knox ist nichts dagegen. Wir brauchen einen Schlosser, und zwar einen guten. Er soll ein Schweißgerät mitbringen.«
    »Wie bitte?« fragte Bremer überrascht.
    »Komm rauf und sieh es dir selbst an, wenn du mir nicht glaubst«, erwiderte Clausen. »Das hier ist die reinste Festung. Der Kerl muß vollkommen paranoid gewesen sein - oder er hat etwas ziemlich Wertvolles in seiner Wohnung.«
    Bremer starrte das Funkgerät in seiner Hand für einen Moment lang so feindselig an, als trüge es ganz allein die Schuld an dem ganzen Fiasko. Er hatte plötzlich Lust, es auf den Boden zu werfen und kräftig darauf herumzutrampeln. Statt dessen drückte er erneut die Sprechtaste und sagte in resignierendem Ton: »Also gut. Ich werde sehen, was ich tun kann. Nehmt euch mittlerweile schon mal die Nachbarn vor. Vielleicht haben sie ja irgend etwas gesehen oder gehört.«
    Er schaltete ab, steckte den Apparat achtlos in die Jackentasche und ging zu seinem Streifenwagen zurück. Der Passat stand mit offener Heckklappe und noch immer zuckendem Blaulicht nicht weit hinter dem Krankenwagen, und zumindest hier funktionierte die psychologische Barriere, die das Blaulicht und die Signalfarben des Wagens bilden sollten. Natürlich war auch diese Seite der Straße von Neugierigen belagert, doch sie hielten einen deutlichen Abstand zu den beiden Fahrzeugen. Als Bremer näher kam, wichen einige der zuvorderst Stehenden sogar vor ihm zurück oder versuchten es zumindest, bis sie von den Gaffern hinter ihnen aufgehalten wurden. Die meisten senkten hastig den Blick, als sie ihn bemerkten, oder machten sich auf irgendeine andere Weise zum Narren. Wahrscheinlich wären sie alle sehr erstaunt gewesen, hätten sie gewußt, wie Bremer wirklich über sie dachte - nämlich so gut wie gar nichts. Am Anfang war er sehr erbost gewesen, wenn Verbrechen, Gewalttätigkeit oder einfach der Anblick eines Unfalls Neugierige in Scharen anzogen. Doch mit den Jahren hatte sich diese gerechte Empörung gelegt, und mittlerweile nahm Bremer sie gar nicht mehr zur Kenntnis. Unfälle und Gewalt zogen Neugierige an, so war das nun einmal. Bremer hatte gelernt, sie zu ignorieren, solange sie seine Arbeit nicht zu sehr behinderten.
    Er öffnete die Beifahrertür, streckte die Hand nach dem Funkgerät aus, und im gleichen Moment meldete sich der Apparat von sich aus. Bremer lächelte flüchtig über diesen Zufall, drückte die Sprechtaste und meldete sich.
    Es war die Zentrale. Im Hintergrund der Verbindung, die - obwohl über viel größere Entfernung - ungleich klarer war als die gerade zu

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