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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Clausen, hörte er das übliche Stimmengewirr, Telefonklingeln und elektronische Piepsen der Funkleitstelle.
    »Gut, daß ihr euch meldet«, begann er. »Wir brauchen hier einen Schlosser. Und bevor ihr es sagt - ich weiß, wie spät es ist. Aber es ist wohl nötig. Der Hausmeister kriegt die Tür nicht auf.«
    »Okay, wir schicken den Schlüsseldienst und - «
    »Damit wird es kaum getan sein«, fuhr Bremer fort. »Clausen meint, er sollte ein Schweißgerät mitbringen, und jetzt frag mich bloß nicht, warum. Anscheinend handelt es sich um eine etwas stabilere Tür.«
    »Ich sehe zu, was ich machen kann«, versprach sein Kollege nach einem Moment verblüfften Schweigens. »Aber ihr solltet trotzdem euer Möglichstes versuchen. Ihr bekommt nämlich gleich hohen Besuch. Sendig ist auf dem Weg zu euch.«
    »Sendig?« Bremer richtete sich überrascht im Sitz auf. »Der Alte selbst!«
    »Sieht so aus. Ich schätze, daß er in zehn Minuten bei euch ist, vielleicht sogar eher.«
    »Aber wieso?« murmelte Bremer verstört. Die Frage galt sehr viel weniger dem Mann in der Funkleitzentrale als ihm selbst. Einmal ganz davon abgesehen, daß niemand im Revier Sendig mo chte - genaugenommen kannte Bremer auch sonst nirgendwo jemanden, der das getan hätte -, war Sendig nicht irgendein Kriminalbeamter, sondern der Leiter der Mordkommission. Und so ganz nebenbei, beliebt oder nicht, einer der unbestritten fähigsten Kriminalbeamten der Stadt. »Das ist doch nur ein ganz normaler Selbstmord - was hat Sendig damit zu tun?«
    »Keine Ahnung. Er war wohl zufällig hier, als die Meldung reinkam. Ich hab's selbst nicht miterlebt, aber als er die Adresse gehört hat, muß er wie eine Rakete in die Luft gegangen sein, Ich dachte mir, das interessiert euch vielleicht.«
    »Stimmt«, antwortete Bremer verwirrt. »Danke für die Warnung. Und denkt an den Schlosser!«
    Er schaltete das Gerät aus, ohne sich abzumelden, und stieg aus dem Wagen. Er war vollkommen verwirrt und sehr viel bestürzter, als er zugeben wollte. Sendig war ein Ekel, daran führte kein Weg vorbei, aber er war ein tüchtiges Ekel, und schon gar keines, das seine Zeit damit vergeudete, sich wichtig zu machen. Zehn Minuten nach zwei war keine Uhrzeit für einen Mann wie ihn, sich zu produzieren. Wenn er hierherkam, dann hatte er einen Grund.
    Bremer warf die Wagentür mit einem Knall ins Schloß, machte drei Schritte auf das Haus zu, von dessen Balkon der Selbstmörder gesprungen war, und bog dann noch einmal ab, um zu Hansen zu gehen. Er mußte den demolierten Mercedes dazu umrunden, und er tat es in größerem Abstand, als nötig gewesen wäre, denn der Anblick erfüllte ihn noch immer mit einem fast körperlichen Unbehagen. Es war erstaunlich, dachte Bremer, welchen Schaden etwas so Weiches wie ein menschlicher Körper anrichten konnte, wenn es nur aus genügend großer Höhe fiel. Der Wagen war vollkommen zertrümmert. Das Dach war eingedrückt, als wäre ein Panzer darüber hinweggerollt, und nicht eine einzige Scheibe war heil geblieben. Überall klebte erst halb eingetrocknetes Blut, und der Anblick seines Kollegen, der auf der anderen Seite des Wagens im Rinnstein hockte, trug auch nicht unbedingt dazu bei, Bremers Stimmung zu heben.
    Hansen hatte aufgehört, sich zu übergeben, aber er sah noch immer aus, als wäre er mehr tot als lebendig. Sein Gesicht war kreidebleich, seine Hände zitterten ununterbrochen. Eine schweißnasse Haarsträhne hing ihm ins Gesicht, was seinem Blick etwas Irres gab, fand Bremer.
    Zwei Schritte vor ihm blieb er stehen, sah einen Moment auf ihn herab und ließ sich dann in die Hocke sinken, damit sich ihre Gesichter auf gleicher Höhe befanden. Er ersparte sich die Frage, ob alles in Ordnung war - das wäre nicht einmal ein schlechter Witz gewesen in diesem Augenblick -, sondern wartete darauf, daß Hansen von sich aus das Wort ergriff. Aber der Junge schwieg. Er starrte ihn nur an, und das auf eine Art, die Bremer einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Sein Blick flackerte und schien irgendwie durch ihn hindurchzugehen, auf einen Punkt weit hinter ihm gerichtet, und was immer er dort sehen mochte, war nichts Angenehmes.
    Zum ersten Mal, seit dieser Alptraum begonnen hatte, machte sich Bremer wirklich Sorgen um Hansen. Bisher war er selbst viel zu schockiert gewesen, um mehr als einen flüchtigen Gedanken an seinen jüngeren Kollegen zu verschwenden. Mitleid aufzubringen, wenn man im Grunde selbst we l ches brauchte, war

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