AZRAEL
fügte Mark mit einem Räuspern hinzu. Er sah auf und begegnete einem Lächeln, das vielleicht zum ersten Mal an diesem Morgen wirklich echt wirkte, auf jeden Fall nicht verkrampft. Er löschte es aus, indem er noch einmal den Kopf schüttelte und leise sagte: »Entschuldige. Ich... wollte nicht unhöflich sein. Es ist nur...«
»Schon gut. Das alles geht mich ja wirklich nichts an.«
»Das ist es nicht«, sagte er hastig. »Ich bin einfach nur durcheinander, das ist alles. Und anscheinend habe ich heute ein ganz besonderes Talent, jedem auf die Zehen zu treten, der freundlich zu mir sein will.«
Beate blickte ihn noch einen Moment lang sehr nachdenklich an, dann rettete sie sich in ein ausdrucksloses Lächeln und sah auf die Uhr. »Meine Pause ist vorbei«, sagte sie. »Ich muß zurück, bevor ich Ärger bekomme.«
»Selbstverständlich.« Mark stand auf, zahlte ihre Getränke und rannte fast, um vor Beate an der Tür zu sein und sie ihr aufzuhalten. Er benahm sich ziemlich linkisch, das bewiesen nicht nur der spöttische Gesichtsausdruck der beiden Krankenpfleger, die Beate und ihn jetzt ganz unverblümt anstarrten, sondern auch Beates irritierte Blicke - immerhin stolperte er beinahe über seine eigenen Füße, nur um vor ihr bei einer Tür zu sein, die er nun weiß Gott nicht aufhalten mußte. An ders als das große Portal draußen trug sie den speziellen Bedürfnissen der Bewohner dieses Gebäudes Rechnung und war so leichtgängig, daß selbst ein Kleinkind keine Mühe gehabt hätte, sie zu öffnen.
»Weißt du«, sagte er, während sie den Garten durchquerten und wieder das Hauptgebäude ansteuerten, »eigentlich hast du recht.«
»Womit?« fragte Beate.
Mark seufzte und machte eine flatternde, ausholende G e ste. »Es ist ein Scheißtag, wenn man bedenkt, daß ich heute achtzehn werde. Eigentlich sollte man einen solchen Tag anders begehen.«
»Nicht mit einem Besuch im Krankenhaus, meinst du?«
»Zum Beispiel. Man sollte ihn feiern.«
»Und warum tust du es nicht?«
Er lächelte bitter. »Vielleicht, weil ich wenig Grund dazu habe. Und außerdem wüßte ich niemanden, der mit mir feiert.« Er blieb mitten im Schritt stehen und sah Beate mit gespielter Überraschung an. »He — warum feiern wir ihn nicht gemeinsam? Ich könnte dich abholen, wenn deine Schicht vorbei ist, und wir machen einen drauf.«
Einen Moment lang war er davon überzeugt, den Bogen überspannt zu haben. So ganz nebenbei - seine eigenen Worte überraschten ihn jetzt wirklich, denn er hatte eigentlich nur irgend etwas sagen wollen, um den peinlichen Moment zu überspielen. Beate wirkte fast erschrocken. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte: »Ich ... glaube nicht, daß das eine gute Idee ist.«
»Ich verstehe«, seufzte er. »Du hältst mich für aufdringlich. Oder hast einen festen Freund.«
»Nein«, antwortete sie. »Keinen Freund. Aber ich... es geht nicht.«
»Warum?«
»Ich wohne hier«, sagte Beate. »Ich habe nur ein kleines Zimmer, zwar für mich allein, aber die Anstaltsleitung sieht es nicht gerne, wenn - «
»Schon kapiert«, unterbrach sie Mark. »Dann hole ich dich nicht ab. Wir können uns unten an der Kreuzung treffen, und wir gehen irgendwohin und trinken ein Bier. Oder essen etwas - keine Rühreier, Ehrenwort.«
»Bestimmt nicht?«
»Ganz bestimmt nicht«, versprach er lachend. »Und keine Angst - wenn du meinetwegen Ärger bekommst, sage ich meinem Vater Bescheid, und er kauft den Laden und schmeißt jeden raus, der dich auch nur schief ansieht.«
9. Kapitel
D ie Bilder würden ihm ein Vermögen einbringen. Der leichte Nieselregen, der die ganze Nacht über angehalten und nur am Morgen für eine knappe Stunde ausgesetzt hatte, hatte vor kurzem wieder eingesetzt, und mittlerweile goß esin Strömen. Außerdem war es viel zu kalt für die Jahreszeit, so daß Mogrod mittlerweile nicht nur bis auf die Haut durchnäßt war, sondern auch vor Kälte mit den Zähnen klapperte, aber das störte ihn nicht im geringsten. Ganz im Gegenteil - er war in der Stimmung, laut zu singen, und er grinste so breit über das ganze Gesicht, daß ihn mehr als ein Fahrgast in der U-Bahn erstaunt angeblickt hatte.
Er hatte auch allen Grund für sein Grinsen. Was da in seiner rechten Manteltasche klapperte, war Gold wert, und das in jeder Hinsicht. Die Bilder würden eine Menge Geld einbringen, aber das allein war es nicht. Das war es nicht einmal hauptsächlich. Viel wichtiger als der Scheck, den ihm die Redaktion
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