AZRAEL
rüberschieben durfte, damit sie diese Bilder bekamen (und, so wahr ihm Gott helfe, er würde dafür sorgen, daß es ein großer Scheck war, aber trotzdem), viel wichtiger als das Geld waren die Umstände, unter denen er an diese Bilder gekommen war. Mogrod war wieder da. Wie Phönix aus der Asche war er auferstanden und breitete in alter Kraft und Frische die Schwingen aus, und niemand – keiner! - würde es jetzt noch wagen, das zu bezweifeln.
Er war wieder da. Die beiden Filme in seiner Tasche bewiesen es, und der Aufstand, den die Bullen erst einmal machen würden, wenn sie die Bilder in der Abendausgabe bewundern durften, würde es auch dem Rest der Welt beweisen.
Mogrod überquerte die Straße, sprang mit einem ausgelassenen Satz auf den Bügersteig hinauf und balancierte wackelnd und mit ausgebreiteten Armen wie ein Schulanfänger einige Schritte weit auf dem Bordstein entlang. Er hätte die ganze Welt umarmen können - mit Ausnahme einiger ganz spezieller Arschlöcher, verstand sich, die er im Lauf der kom me nenden Tage bestimmt nicht umarmen sondern kräftig in den Arsch treten würde. Der eiskalte Regen, der ihm ins Gesicht klatschte, verbesserte seine Laune eher noch.
Der noch viel kältere Wasserguß, mit dem ihn ein Wagen überschüttete, dessen Räder nur Zentimeter an ihm vorbei durch den Rinnstein pflügten, schon etwas weniger. Mogrod fluchte, brachte sich mit einem hastigen - wenn auch verspäteten - Satz in Sicherheit und sah gerade noch, wie der Fahrer ihm im Rückspiegel einen kopfschüttelnden Blick zuwarf und sich gegen die Schläfe tippte.
»Idiot!« brüllte Mogrod. Aber grinste dabei, und eigentlich war er dem Mann nicht einmal böse. Er war sowieso naß bis auf die Haut, und die Klamotten, die er trug, hätten eigentlich schon vor einem Jahr in die Mülltonne gehört. Genau dort würden sie spätestens morgen auch landen; sobald er seinen Scheck eingelöst und sich neu eingekleidet hatte - nebst einigen anderen Kleinigkeiten, die er schon viel zu lange vor sich herschob. Ja, dachte er fröhlich, er war wieder da, und nach diesen Volltrotteln in der Redaktion würden die Obertrottel auf der Bank die nächsten sein, die das merkten. Das süffisante Grinsen, das jedes Mal auf dem Gesicht des Kassierers erschien, wenn er nach seinen Auszügen fragte, würde ihm im Hals steckenbleiben.
Mogrods Hand glitt in die Tasche seines durchweichten Parkas und suchte die Schlüssel. Sie fand sie, berührte dabei aber auch die beiden Plastikdosen mit den Filmen, die er in Löbachs Apartment aufgenommen hatte, und verharrten einen Moment länger darauf, als vielleicht nötig gewesen wäre. Ein phantastisches Gefühl. Der Kunststoff war so kalt und glatt und hart, als wäre es wirklich Gold - ach was, Gold, Platin mit Diamanteinschlüssen! -, aber die Berührung bewirkte noch etwas anderes, was Mogrod im ersten Moment fast selbst überraschte. Irgendwie ernüchterte sie ihn.
Er grinste noch immer fröhlich vor sich hin, während er den Schlüssel aus der Tasche zog und mit vor Kälte steifen Fingern am Schloß herumfummelte, aber er rief sich zugleich auch in Gedanken zur Ordnung. Sicher, er würde dafür sorgen, daß er einen verdammt guten Preis für die Filme bekam, und den würden sie auch zahlen, denn was auf den Negativen zu sehen war, das war eine Sensation, und keine kleine, aber Geld war nicht die Hauptsache. Selbst wenn er die Summe bekam, die ihm vorschwebte (und wäre er nur ein bißchen weniger euphorisch gewesen, hätte er sich selbst gesagt, daß seine Vorstellung ziemlich utopisch war), würde sie nicht einmal ausreichen, seinen Saldo auszugleichen. Diesen Idioten auf der Bank das breite Grinsen in den Hals zu stopfen, würde noch ein bißchen warten müssen, ebenso wie die diversen Einkaufszüge, die ihm vorschwebten. Aber das Geld war nicht das Wichtigste.
Was allein zählte war, daß er die Bilder hatte, und wie er darangekommen war. Natürlich würde er allen nur das > daß< erklären, ganz bestimmt nicht das > wie<. Aber das war ja gerade das Schöne. Er war wieder da - Stefan Mogrod, der immer fünf Minuten vor der Polizei am Tatort war und Bilder schoß, für die die meisten seiner sogenannten Kollegen ihre Seele verkauft hätten. Die Fotos in seiner Tasche bewiesen es.
Er erreichte seine Wohnung im fünften Stock, öffnete die Tür, schlüpfte aus dem durchweichten Mantel und warf ihn im hohen Bogen in die ungefähre Richtung des Garderobenständers, noch während er die Tür
Weitere Kostenlose Bücher